Nur keine Fahnenflucht

"Unsere eigentliche Aufgabe kann nicht in der Rehabilitierung von Naziunrecht (...) bestehen." - Wichtiger sei die "Rehabilitierung von Unrecht, das in der ehemaligen DDR ergangen und das noch längst nicht aufgehoben ist". Norbert Geis tat sich hörbar schwer, sich der Koalitionsdisziplin zu beugen. Ausgerechnet er, der als rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU immer die bundeseinheitliche Aufhebung von NS-Urteilen hintertrieben hatte, mußte den Koalitionsantrag vorstellen, der eben dies vorsieht.

Um eine Blamage zu vermeiden, hatte die Koalition am vergangenen Mittwoch doch noch den Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig im Bundestag eingebracht - mit einer kleinen Änderung: Gegenüber dem Referentenentwurf vom Juli 1997 war ein Halbsatz gestrichen. Ganz im Sinne von Geis wurde mit dieser unscheinbaren Änderung klargestellt, daß es keine automatische Aufhebung aller Todesurteile gegen Deserteure geben soll.

Die Koalition wolle, sagte Geis in der Bundestagsdebatte, keine pauschale Aufhebung der Todesurteile wegen Fahnenflucht, weil Fahnenflucht schon vor 1933 mit der Todesstrafe bedroht gewesen sei. Die Grünen forderten die Rehabilitierung aller wegen Desertion oder Wehrkraftzersetzung Verurteilten, die Sozialdemokraten sahen in ihrem Antrag immerhin die Aufhebung aller Todesurteile gegen Deserteure vor. Aus der SPD hieß es, in den kommenden Ausschußberatungen wolle man auf diesem Punkt bestehen. So bleibt unklar, ob der von Justizminister Schmidt-Jortzig erhoffte "Schlußstrich unter das dunkelste Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte, deutscher Justizgeschichte überhaupt", tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode gezogen wird.