Kuh fängt Hasen

Die Niederlage im Uefa-Cup gegen Moskau gefährdet den geplanten Ajax-Börsengang angeblich nicht

"Wir wollen auf keinen Fall als Touristengruppe nach Moskau reisen!" erklärte Ajax-Coach Morten Olsen nach der 3:1-Heimniederlage seines Teams gegen Spartak Moskau noch ziemlich optimistisch, aber seine Spieler sahen das nur einen Tag später schon ganz anders: "Es ist aus und vorbei. Man könnte zwar jetzt vielleicht sämtliche gängigen Fußball-Klischees bemühen und womöglich auch noch beschwören, daß die Kuh manchmal doch den Hasen fängt, aber daran glaube ich nicht."

Der Schatzmeister des Vereins, der ehemalige Börsenmakler Arie Van Os, schwor, durch das mögliche frühe Pokal-Aus komme Ajax "nicht in finanzielle Bedrängnis, wir werden in jedem Fall mit einer positiven Bilanz aus dem laufenden Uefa-Cup ausscheiden." Van Os versicherte weiter: "Das Ausscheiden ist auf den Börsengang ohne Einfluß."

Einen Monat zuvor hatte der Ajax-Mitgliederrat beschlossen, im Juli als erster niederländischer Fußballverein an die Börse zu gehen. 51 Prozent der Aktien sollen im Besitz des Vereins bleiben, 49 Prozent frei gehandelt werden. Die erwarteten Einnahmen, umgerechnet zwischen 200 und 270 Millionen Mark, sollen in den Aufbau junger Talente und den Einkauf junger Spieler gesteckt werden. Amsterdamer Finanz-Analysten warnten allerdings schon kurz nach dem Ajax-Beschluß vor allzu großer Euphorie. Den zwölf britischen Fußballvereinen, die bisher den Sprung an die Börse wagten, gehe es "mit Ausnahme von Manchester United finanziell schlecht", erklärte auch ein Mitarbeiter des Londoner Effektenhauses Colin Stewart. Denn der tatsächliche Wert des Vereins läßt sich nicht so ohne weiteres exakt ermitteln, einige Analysten erklärten, er bestehe eigentlich nur aus "ruhmreicher Vergangenheit und einigen Spielerverträgen". Diese Verträge wurden früher fast ausschließlich mit vom Verein ausgebildeten Nachwuchsleuten geschlossen, zu Beginn dieser Saison allerdings verpflichtete Trainer Morten Olsen zehn neue Spieler von anderen Clubs, die meisten aus dem Ausland.

Das einst überall als vorbildlich geltende System der Nachwuchsförderung beim niederländischen Rekordmeister hat sich in den letzten Jahren sehr geändert. Zum einen schaffte in den letzten beiden Jahren kein Nachwuchsspieler den Sprung in den A-Kader, zum anderen mußte Ajax nach dem Bosman-Urteil gleich mehrere selbst ausgebildete Stammkicker ablösefrei zu anderen Vereinen wechseln lassen. Nun ist man dazu übergegangen, den größten Talenten unter den 17jährigen Jugendspielern Fünf-Jahres-Verträge anzubieten, damit sich die mehr als fünf Millionen Gulden, die der Club jedes Jahr in die Ausbildung des Nachwuchses investiert, rentieren.

Mit dem Geld aus den Aktienverkäufen plant man nun wieder verstärkte Nachwuchsarbeit. Talent-Sucher sollen nicht nur wie bisher in den Niederlanden, sondern in Zukunft auch im Ausland eingesetzt werden, z.B. in Südafrika, Brasilien und Dänemark, denn die dortige Fußballkultur würde sehr gut zu der von Ajax passen, erklärten die Trainer. Schon mit 16 Jahren sollten die so ausgewählten Nachwuchsspieler nach Amsterdam kommen, um sich an das Ajax-System zu gewöhnen. Das bei der Heimniederlage gegen den russischen Meister Spartak Moskau keinen guten Eindruck machte, zumal Spartak immerhin seit Oktober kein Ligaspiel mehr absolviert hatte - die Saison in Rußland dauert nur vom Frühjahr bis zum Herbst. Während die niederländischen Zeitungen eher hämisch reagierten und sogar bedauerten, daß der Börsengang von Ajax nicht schon erfolgt sei, denn so hätte man immerhin einmal sehen können, wie Spiele Kurse beeinflussen, nahmen die Fans das Ergebnis eher gelassen hin. Denn in der Eredivisie, der Ersten Liga, führt ihr Verein mit 62 Punkten die Tabelle an, gefolgt vom PSV Eindhoven mit gerade 47 Zählern. Für die Ajacieden am schönsten: Rivale Feyenoord ist abgeschlagen Fünfter.