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Demi Moore in "Die Akte Jane": Statt des Films gerät seine Hauptdarstellerin in die Feuerlinie

Demi Moores neuer Fim "G.I. Jane - Die Akte Jane" ist diese Woche in den Kinos angelaufen, und die Journalisten sind sich einig: Das wird wieder ein Flop. Der Grund? Eine Frau, die "mit vollem Körpereinsatz" spielt, muß einfach scheitern. Fehlt nur der Nachsatz: Glaubt die vielleicht, sie sei Tom Cruise?

Ein derart einvernehmliches Urteil einer ganzen Zunft sollte einen skeptisch werden lassen. Worum geht's in dem Film? Die sich in taktischen Fragen als äußert intelligent erweisende Lieutenant Jordan O'Neil (Jane/Demi Moore) wird auf Initiative einer US-Senatorin (Anne Bancroft) hin erstes weibliches Mitglied in der US-Navy-Eliteeinheit SEAL. Die Lehre, die sie gleich am ersten Tag zieht, ist, daß die ihr zugestandenen langen Haare extrem lästig sind, wenn man 19 Stunden lang Boote schleppt, im Wasser rumsteht und unter Stacheldraht robben muß. Folgerichtig rasiert sie sich die Haare ab. Die zweite Lehre ist, daß man nie "ins Team wachsen kann", wenn man einen von den "Kamaraden" getrennten Schlafraum hat und bei Leistungstests einen Bonus erhält. Folgerichtig fordert sie Gleichbehandlung. Die dritte Lehre ist, daß diese Einheit nicht geistiger, sondern körperlicher Höchsleitungen wegen zur Elite gehört. Deshalb trainiert sie ihren Körper.

So weit, so banal, aber nicht wirklich hinreichende Gründe, um über den Film herzuziehen. Tut ja auch so niemand. Statt des Films gerät die Darstellerin unter Beschuß. Die politischen Aussagen des Films bleiben dabei auf der Strecke.

Niemand empört sich darüber, daß immer noch mit der größten Selbstverständlichkeit gezeigt wird, daß amerikanische Einheiten in ein fremdes Land einfallen (Libyen), um einen abgestürzten Satelliten zu bergen, dessen Energie sich aus "waffenfähigem" Plutonium speist. Es ist, zumal nach den jüngsten politischen Ereignissen, bei denen sich die USA wieder einmal als überaus aggressiv erwiesen haben, schwer erträglich, einen Film über die amerikanische Armee zu sehen. Kein halbwegs politisch denkender Mensch kann dieses Nationalpathos, diesen Drill zu absolutem Gehorsam und die Gewaltbereitschaft ohne Abwehr sehen. Demi Moore selbst hat bei Clinton angerufen, um die Unterstützung des Pentagon für den Film zu sichern. Hierzulande "Die Akte Jane" als populistische Kriegsvorbereitung zu rezipieren, ist richtig.

Wenn man aber diesen eigenen nationalen Blickwinkel verläßt, zeigt der Film viel mehr, und Demi Moore erweist sich als perfekte Besetzung. Es geht vor allem um staatspolitischen Feminismus und um Bürgerrechte. Da ist auf der einen Seite die US-Senatorin, die in aggressiven Reden die Benachteiligung von Frauen in der Navy anprangert und damit politischen Druck auf den Kriegsminister ausübt. Erst gegen Ende des Films wird klar, daß ihr Experiment, weibliche Mitglieder bei der SEAL einzuführen, politische Taktik war.

Jordan O'Neil ist Verhandlungsmasse, ein Bauernopfer. Eine von der Senatorin selbst eingefädelte Intrige, die zur Suspendierung von G.I. Jane führt, soll die Schließung von Militärbasen im eigenen Wahlgebiet verhindern. G.I. Jane aber will Karriere machen, und dafür muß sie Kampferfahrung nachweisen. Und sie will diese Karriere ohne Frauenbonus machen. Irgendwann kommt es zur Verbrüderung zwischen Jane und einem Afro-Amerikaner, der sie nur zu gut versteht, durfte doch sein Vater im Zweiten Weltkrieg nicht zur kämpfenden Truppe, "weil Schwarze nachtblind sind".

Die eiskalte Botschaft des Films: Wenn Frauen gleichbehandelt werden wollen, müssen sie sich auch angleichen (dürfen). Und zwar nicht den Männern, sondern dem System, in dem sie als Gleiche unter Gleichen gelten wollen. Vollgültiges Bürgerrecht erlangt man nicht durch Sonderbehandlung. Jane mutiert deshalb nicht zum Mann. Sie akzeptiert das System und kämpft darin um ihr Recht. Es ist hierzulande schwer zu verstehen, wieso eigentlich dieses Recht eingeklagt wird. Frauen in der Bundeswehr ist eher ein Karnevalsthema als alltagspolitischer Kampf. In den Staaten sieht das anders aus. 1994 kämpfte Margarete Cammermeyer darum, als Lesbe in der Army bleiben zu dürfen, und als sie das erreicht hat, ging ihr Kampf um den ihr verweigerten Rang als Generalin weiter. Diese Geschichte wurde mit Glenn Close in der Rolle der Cammermeyer verfilmt, Produzentin war Barbra Streisand. Die Intrige in "Akte Jane" bezweckt, G.I. Jane als Lesbe in Verruf zu bringen, um sie für eine Eliteeinheit untragbar zu machen. Dieser politische Sprengstoff zündet hierzulande offenbar nicht.

Niemand hat in den letzten Jahren so radikal wie Demi Moore die Frage thematisiert, was Gleichberechtigung unter kapitalistischen Bedingungen für Frauen bedeutet. Seit "Eine Frage der Ehre" (1993) spielt Demi Moore nur Rollen, in denen Frauen um Gleichbehandlung und Gleichberechtigung kämpfen. Es sind durchweg Frauen, die sich im System ihren Platz erkämpfen wollen. In diesem Sinne ist es völlig plausibel, wenn sie ihren "Master Chief" (Viggo Mortensen) mit "Lutsch meinen Schwanz" anblafft, nachdem der versucht hat, sie zu reinen Übungszwecken zu vergewaltigen. Was dieser Szene vorausging, war die weise Erkenntnis eben dieses Eintreibers, daß das Problem nicht die Frauen, sondern die Männer sind. Die könnten den Anblick zerfetzter Frauenleichen ebensowenig ertragen wie das Maul halten, wenn der Feind eine "Kameradin" zu vergewaltigen versuchen würde.

Die Bedeutung von "Suck my dick" liegt nicht darin, daß nun eine Frau vollends zum Mann wird, sondern darin, daß hier eine Untergebene zu Recht ihren Vorgesetzen zusammenschlägt und mit seiner Sprache innerhalb des geltenden Codes gegen ihn rebelliert. Ihre "Ka-meraden" sind deshalb auch nicht ge-schockt, sondern johlen zustimmend und erklären den Spruch später zum Trinkspruch. Sie ist Teil des Teams geworden, und alle wissen, daß sie das als Frau und nicht als Mann geworden ist. Sie beherrscht die Regeln, das macht sie gleich.

Und Demi Moore macht noch mehr - und bricht damit herkömmliche Codes: Einerseits nämlich scheint es völlig natürlich, daß Julia Roberts sich einen Body-double holt, wenn sie nur mal mit nackten Beinen über die Straße gehen muß, andererseits wird schon der Mut zum Fett bei Silvester Stallone als schauspielerische Leistung gefeiert. Wenn aber Demi Moore Liegestütze mit einem Arm zustande bringt, dann ist das unverzeihlich. So authentisch darf nur ein Robert de Niro seine Rollen leben. Demi Moore aber zerstört und verkörpert zugleich einen Mythos. Ob in "Disclosure", "Striptease" oder eben "G.I. Jane" zeigt sie der vom Körper besessenen kapitalistischen Gesellschaft, daß ihr geradezu archaischer Rückzugsort nur mit harter Arbeit geschaffen werden kann. Und sie verkörpert diesen Ethos wie kaum eine andere, weshalb sie die ewige Proletarierin unter den Großverdienern bleiben wird. Hierin liegt ihre Ausstrahlung, die verrückte Mischung in ihrem Gesicht aus Erotik und Weichheit, verbissenem Ehrgeiz und brutaler Einsatzbereitschaft.

Manche Journalisten haben sich gewundert, weshalb Ridley Scott sich für die Regie hergegeben hat, wo er doch mit "Thelma und Louise" so einen schönen Frauenfilm gemacht habe. Aber die Lehre, die man aus diesem butterweichen Brigitte-Feminismus ziehen konnte, war doch bloß, daß herzensgute Mädchen sterben müssen. Danach wieder zurückzukehren zum weit überlebensfähigeren Frauentyp ˆ la Ripley ist da höchst verständlich, wissen doch schon Feministinnen, daß böse Mädchen überall hinkommen. Dafür werden sie am Schluß belohnt.

Der Master Chief, der am ersten Tag mit dem markigen Satz seinen Einstand gab: "Ich habe nie ein wildes Tier gesehen, das Selbstmitleid empfand", bekennt sich am Ende als Fan von Jane. Sie findet in ihrem Spind einen Gedichtband von D.H. Lawrence, dem dieser Satz entnommen ist, gemeinsam mit einer Tapferkeitsmedaille, die der Master Chief selbst im Golfkrieg erhalten hat. Falsch. Jane wird nicht wiederum entweiblicht und nun zum wilden Tier erklärt. So kann man Lawrence, über den Simone de Beauvoir ihre Doktorarbeit geschrieben hat, nicht lesen; eher bietet sich Beauvoirs Zusammenfassung der Lawrenceschen Position an: "Ein nicht gutzumachender Fehler besteht darin, aus seinem Geschlecht ein Werkzeug seines Willens machen zu wollen." Gleichbehandlung und Gleichberechtigung fangen mit der Erkenntnis an, daß man nicht als Frau geboren wird, sondern dazu gemacht wird. Und "G.I. Jane - Die Akte Jane" zeigt, daß sich mit dieser Erkenntnis Männer schwerer tun als Frauen. Mehr nicht.

"Die Akte Jane". USA 1997. R: Ridley Scott. Bereits angelaufen