Krieger an der Vertrauensfront

Zur Wirtschaftskrise in Japan gesellt sich ein Bestechungsskandal. Selbst in der eigenen Partei werden Zweifel als Ministerpräsident Hashimoto laut

Die letzte Amtshandlung des in der vergangenen Woche zurückgetretenen Finanzministers Hiroshi Mitsuzuka war eine regelrechte Kriegserklärung. Zehn Vertrauensleute seiner Behörde ernannte er zu "auserwählten Kriegern im Kampf um die Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens in das Ministerium". Finanzbeamte sollen nämlich mindestens sechs Bankinstituten Tips in großem Stil über bevorstehende Steuerinspektionen gegeben haben. Im Gegenzug gab es Einladungen zum Golfspiel, in Spielcasinos von Las Vegas oder zum Essen in sogenannten no-pan shabu-shabus - Restaurants, in denen leichtbekleidete Frauen die männlichen Gäste bedienen - sowie Eigentumswohnungen und Kredite zum Vorzugspreis.

Das Finanzministerium verlor daraufhin eine Anzahl von Mitarbeitern: Koichi Miyagawa, der Chef der Finanzinspektion sowie ein enger Mitarbeiter wurden von einer Hundertschaft Polizei verhaftet - live übertragen im japanischen Fernsehen -, drei Inspektoren aus dem Staatsdienst entlassen, ein weiterer zum polizeilichen Verhör geladener Kollege erhängte sich Mitte der vergangenen Woche. Aus ist es auch für Mitsuzuka und seinen Stellvertreter Takeshi Komura. Denn die Ministeriumsspitze wußte schon im Sommer des vergangenen Jahres von dem Bestechungsfall, spielte ihn jedoch herunter: Den Finanzbeamten sei nur ein einziges kleines Bierchen angeboten worden.

Nachdem die zunächst zerstrittene Opposition geschlossen mit einem Mißtrauensantrag gedroht hatte und auch innerhalb der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) Kritik laut wurde, möchte Ministerpräsident Ryutaro Hashimoto nun den politischen Saubermann spielen und katapultierte die beiden aus seinem Kabinett. Dabei mußte 1991 auch Hashimoto als Finanzminister seinen Hut nehmen, nachdem ihm enger Kontakt zu bestimmten Brokerhäusern vorgeworfen wurde. Hashimotos Karriere schadete das aber ebensowenig wie der des heutigen Zentralbankchefs Yasuo Matsushita, der 1979 nach einem Skandal um illegale Konten seinen hohen Posten im Finanzministerium aufgeben mußte.

Nach Willen des Premiers, dem die Tageszeitung Asahi Shimbun "wenig ökonomischen Sachverstand" bescheinigt, sollen Finanzinspektion und -verwaltung künftig institutionell getrennt und damit "transparenter" werden. Dafür soll der am vergangenen Freitag eingesetzte Mitsuzuka-Nachfolger, Hikaru Matsunaga, sorgen. Der LDP-Politiker fungierte bisher als Vorsitzender des Haushaltsausschusses im japanischen Unterhaus. Hashimoto will sich so als politischer Erneuerer aufspielen. Denn schon befürchten die Liberaldemokraten, daß die gesamte Regierung ins Straucheln kommen könnte. Mitsuzukas Rücktritt sei erst der Beginn, wird gemutmaßt - schließlich wird der

Hashimoto-Administration auch noch angelastet, durch "Mißmanagement" die Krise des Landes verursacht zu haben. Dabei stehen im Juli dieses Jahres Wahlen zum Oberhaus an. Heimlich scheint die Regierungspartei aber bereits zu hoffen, daß zwar Hashimoto zunehmend unbeliebter wird, nicht aber die LDP selbst. Nicht ohne Grund meldete sich ihr Generalsekretär Koichi Kato mit offener Kritik an den Parteifreunden in Ministerwürden zu Wort.

Wenig erfreut sind Teile der Liberaldemokraten über die verfügte Einkommenssteuer-Senkung, mit der Hashimoto seine Popularität aufzubessern sucht. Gleichzeitig will die Regierung den Finanzinstituten, die teilweise kurz vor dem Bankrott stehen, insgesamt 430 Milliarden Mark bis zum März des Jahres 2001 zur Verfügung stellen. Schließlich sorgten die Banken sich auch rührend um die Staatsdiener. Einige von ihnen beschäftigten sogar Sonderbeauftragte, die regelmäßig mit den Finanzinspektoren zusammenkamen und sie immerzu zum Golfspielen oder in die no-pan shabu-shabus einluden. Und als echte Gentlemen beschenkten sie die Ministeriumssekretärinnen bei ihren Besuchen mit Bonbons.

Unterschieden werden soll bei den Finanzhilfen zwischen "guten" und "schlechten" Banken. Die "schlechten" sollen keinen einzigen Yen bekommen, während die "guten" ihre in den letzten Monaten stark geschrumpfte Kapitalbasis mit Staatsgeldern aufbessern dürfen. Dazu gehören insbesondere jene Institute, die sich angeblich sicheren Anlageformen wie Aktiengeschäften - im Gegensatz zum Handel mit Derivaten beispielsweise - widmen.

Die zersplitterte Opposition, die nach dem dritten Ministerrücktritt seit einer Kabinettsumbildung im Oktober letzten Jahres den Sturz des Premiers herbeisehnt, setzt dem die Forderung einer "Reformpolitik" als Mittel des Krisenmanagements entgegen. Schon seit dem Beginn der asiatischen Wirtschaftskrise wirft man der Regierung vor, daß sie eine umfassende Liberalisierung verhindere und der nationalen Ökonomie damit erheblich schade. Während die oppositionellen Marktverfechter wenig chancenreich sind, ermuntert die Frankfurter Allgemeine Zeitung Hashimoto, "nach der alleinigen Macht zu greifen", wie immer das konkret aussehen mag.

Zumindest Asahi Shimbun schlägt in ihrer Rubrik "Vox Populi" eine angeblich bessere Lösung vor: Die Hälfte aller Ministerienposten müßten mit Frauen besetzt werden, um die Korruption als "chronischen Fehler unserer männlich dominierten Gesellschaft" zu bekämpfen. Für die Sekretäre der Finanzinspektorinnen blieben dann statt Besuchen in no-pan shabu-shabus nur noch die Bonbons.