Gollwitz in Berlin

Eine Veranstaltung im "Haus der Demokratie" geriet zum Forum der Rechtsradikalen

Der Abend des 15. Dezember im Berliner "Haus der Demokratie" hätte interessant werden können: Eine Veranstaltung zum Thema Gollwitz mit Experten aus den unterschiedlichsten politischen Spektren. Da saßen Andreas Nachama, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und Mitglied der FDP, Hermine Jöst vom Antidiskriminierungsbüro Berlin, eine radikale Antirassistin, Almuth Berger, die Ausländerbeauftragte des Landes Brandenburg, und Thomas Hartmann, ein Sozialdemokrat jener Sorte, die man schon fast ausgestorben glaubte. Als Bürgermeister der Gemeinde Ferch hatte er mit dafür gesorgt, daß jüdische Emigranten problemlos aufgenommen wurden. (Siehe dazu auch die Disko, S.6.)

Zum Fiasko wurde der Abend, weil die Einladung eines fünften Podiumsteilnehmers das gesamte Veranstaltungskonzept verändert hatte: Andreas Heldt, Bürgermeister von Gollwitz. Von ihm war erst vor kurzem eine Erklärung in der Jungen Freiheit dokumentiert worden, in der er von Ignatz Bubis eine Entschuldigung für "die von ihm losgetretene Hetz- und Haßkampagne gegen uns" verlangte und die Medien beschuldigte, den "Ruf unseres Dorfes weltweit geschädigt" zu haben.

Das Zentralorgan der rechten Szene, das Heldts Erklärung mit der Bemerkung bejubelt hatte, "die Mittelmärker wehren sich", hatte offensichtlich zu diesem Abend mobilisiert: Schon als Heldt in seinem einleitenden Statement den Veranstaltungstitel - "Darf eine deutsche Gemeinde jüdische Aussiedler ablehnen?" - als Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung zurückwies, wurde er von etwa 20 der 80 Besucher heftig beklatscht. Der Gollwitzer Bürgermeister vermied während der Veranstaltung sorgfältig jedes selbstkritische Wort. Als er vom ehemaligen Verfassungsschützer Bernd Wagner gefragt wurde, woher die Gerüchte in Gollwitz stammten, Bubis habe die Antifa-Demo im Ort bezahlt, verweigerte er eine Antwort.

Vom einarmigen WK II-Veteranen bis zum langhaarigen Jungfascho war alles vertreten. Die Diskussion wurde von den Rechten dominiert: Die dümmsten Brand-Sätze - von den kriminellen Farbigen über die von Ausländern besetzten Arbeitsplätze bis hin zum Notwehrrecht auf Heimat - wurden in immer neuen Variationen wiederholt. Und je freundlicher und zurückhaltender Nachama wurde, umso mehr verloren die Rechten die Hemmungen: Die Juden wurden zur Übersiedlung nach Israel aufgefordert und Flüchtlinge als "Abschaum" tituliert. Die Forderung Justus Wertmüllers von der Zeitschrift Bahamas, die Äußerung "Abschaum" nicht zu tolerieren und "den Junge Freiheit-Nazi" hinauszuwerfen, provozierte sowohl Zustimmung als auch Ablehnung - für die Mehrheit war die Parole "Nazis raus" genauso schlimm wie die Rede vom "Abschaum".