Der Streit ums Tempelhofer Feld: Die einen wollen bauen, die anderen tanzen

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Auf dem Stadtacker

Julia und ich haben keinen Balkon. Für uns ist das Tempelhofer Feld das nächste Erholungsgebiet. Sonntags fahren wir mit Stühlen, Decke und Proviant bepackt los und suchen uns einen der wenigen schattigen Plätze. Seit wir vor 15 Jahren mit der Swing-Tanzerei anfingen, tanzen wir dort auch, anfangs auf dem nackten Asphalt, später auf mitgebrachten Tanzmatten. Gut für die Knie war das nie.

Im vorigen Jahr baute Marcus Holanda dann endlich mit den Aktivisten des Stadtackers einen festen Tanzboden aus Holzresten. Der Stadtacker ist ein Urban Gardening Projekt. Weil bauliche Veränderungen auf dem Tempelhofer Feld nicht vorgesehen sind, besteht die Anbaufläche aus vielen Hochbeeten, die jetzt die Tanzfläche umringen. Ein malerischer Ort. Samstag und Sonntag Nachmittag finden Tanzveranstaltungen statt, gelegentlich sogar mit Live-Musik. Am 12. Mai spielten George Aschmann’s Invitation to the Blues, eine relativ neue Berliner Western-Swing-Band. Die Gruppe besteht aus dem George Aschmann an der Violine, Jack B. Latimer an der Gitarre. Martin Herzog an der elektrischen Gitarre, Sebastian Müller an der Steel Guitar und Malte Tönißen am Kontrabass. Besonders hervorzuheben ist der Duettgesang von George und Jack. George stammt aus Virginia, Jack ist Australier.

Als das Tempelhofer Feld 2010 dem Publikum geöffnet wurde, strömten Hunderttausende auf das 355 Hektar große Areal. Jede Woche verbringen seitdem ungezählte Berlinerinnen und Berliner ihre Freizeit dort. Dennoch ist es gegenwärtig wieder von Bebauungsbestrebungen der regierenden Berliner Koalition aus CDU und SPD bedroht. Ein seit 2016 bestehendes Containerdorf für Flüchtlinge soll erweitert werden; dass das auf den Freiflächen und nicht auf der ehemaligen Rollbahn geschehen soll, ist einer der Kritikpunkte. Das 2014 durch eine Volksabstimmung  zustande gekommene Tempelhofer-Feld-Gesetz müsste gekippt werden, denn es hat das ausdrückliche Ziel, »die wertvollen Eigenschaften des Tempelhofer Feldes und die darauf beruhenden Funktionen dauerhaft zu erhalten und vor Eingriffen, welche sie gefährden oder verändern können, zu schützen«.