Mit der Bahn pünktlich von Berlin zum Sonnenuntergang auf Sylt

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Zug nach Sylt

Ich fahre nach Sylt. Am Sonntagmorgen um 6 Uhr werde ich wach. Ich habe nur vier Stunden geschlafen – der Tanz-Junkie musste ja unbedingt vor der Reise noch tanzen gehen. Jetzt bin ich schon kaputt, bevor die Reise beginnt. Um 7.30 Uhr sitze ich im Bus zum Südkreuz und stehe kurz nach acht auf Gleis 7 und warte. Dann eine Durchsage: »Der IC 2074 nach Hamburg-Altona verspätet sich wegen Problemen bei der Bereitstellung des Zuges um voraussichtlich 30 Minuten!« Na, toll, die halbe Stunde hätte ich mich gern nochmal im Bett umgedreht.

Immer fehlt es an Hiwis, die was bereitstellen. Zuletzt haben Julia und ich und alle Passagiere am Berliner Flughafen eine Stunde in der Maschine darauf gewartet auszusteigen, weil niemand da war, um die Treppe zu bringen. Aber wer will diese Jobs schon machen? Ich nicht.

Dann kommt mein Zug doch nur 15 Minuten später. Ich versuche zu schlafen, aber so richtig funktioniert es nicht. Ich hätte gar nicht schlafen sollen. Vor längeren Reisen mache ich oft durch und penne, sobald das Flugzeug in der Luft ist. Jetzt bin ich zwar müde, aber nicht bis zur Erschöpfung. Ich nicke ein.

Aber wer will diese Jobs schon machen? Ich nicht.

Der Zug ist leer. Plötzlich sind wir kurz vor Altona. Ich muss umsteigen. Oh, Mist, das wird knapp. Im Sprint renne ich mit Gepäck und Blumen in 60 Sekunden von Gleis 5 zu Gleis 9 und bin der Letzte, der in den Zug springt. Hinter mir geht die Tür zu, der Zug fährt los. Ich hasse Bahnfahrten! Ich fliege lieber oder fahre mit dem Bus. Die vielen Leute im Zug nerven.

Früher, viel früher, war das anders. Da bin ich ganz gern Bahn gefahren. Als die Züge langsamer waren, sich die Fenster noch öffnen ließe und es keine Großraumabteile gab. Als sich die Leute auf die kleinen Abteile verteilten. Jetzt wuseln sie immer so rum. Der Bummelzug nach Sylt ist voll.

Platzreservierungen gab es nicht. Ich bin müde und unleidlich. Auch hungrig, aber ich will meinen selbstgebastelten Joghurt mit Nüssen und Flohsamen hier nicht vor ­allen Leuten auspacken. Ich lese ein bisschen in der Jungle World. Heide, Husum, Bredstedt, Niebüll, Morsum.

Dann schaue ich mal nicht aus dem Fenster und verpasse die Überfahrt nach Sylt. Zack bin ich in Westerland und da ist auch schon Julia. Zwei Stunden später gehen wir am Strand spazieren. Die Sonne blitzt durch die Wolken, ein riesengroßer Regenbogen erscheint. Alles ist schön. Die Reise hat sich ­gelohnt.