Der Sturz

Sie ist Jahrgang 1940. Anfang Mai ist sie in ihrer Wohnung gestürzt, dann lag sie zwei Tage hilflos auf dem Boden. Der Sozialdienst hat sie gefunden und in die Klinik bringen lassen. Ob es der Sturz war oder die Covid-19-Infektion, die in der Klinik festgestellt wurde, oder vielleicht doch ­etwas anderes: Nach dem Aufenthalt im Krankenhaus war die Verwirrung so groß, dass sie nicht mehr allein in ihrer Wohnung bleiben konnte.

Es gibt Experten, die glauben, dass die Demenz überhaupt nicht medikamentös zu beherrschen sei, schon gar nicht durch ein einzelnes Wundermedikament.

Jetzt sitzt sie im mühsam organisierten Altenheimzimmer und spricht von ihrem Zuhause. Wenn man sie fragt, wo das ist, schaut sie verdutzt. Dann erzählt sie von dem Dorf, in dem sie aufgewachsen ist, und von dem anderen, in dem sie mit ihrer Familie 50 Jahre gelebt hat, aber sie spricht nicht von ihrer letzten Wohnung. Denn acht Jahre vor dem Sturz sind ausgelöscht. Der Sturz hat ein riesiges Loch in das Netz der Erinnerungen gerissen, das wegen der Demenz schon vorher löchrig war. Sie ist verwirrt von ihrer Amnesie; spricht von Häusern, in die sie bald ziehen werde, von Geld, das man ihr gestohlen habe.

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2021 wurden in Deutschland circa 1,7 Millionen Menschen gezählt, die an der Demenz erkrankt und über 65 Jahre alt waren, zwei Drittel davon Frauen. Demenz ist eine sehr weit verbreitete Krankheit, bei der stattliche Zuwachsraten zu verzeichnen sind: Die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft gab kürzlich bekannt, dass zwischen den Jahren 2030 und 2050 von einer Steigerung der Fallzahlen um mindestens 500 000 bis maximal 800 000 ausgegangen werden muss. Niemand sollte dafür getadelt werden, dass er diese Krankheit ­verdrängt, aber es ist klar, dass sie im Leben von immer mehr Menschen eine Rolle spielen wird.

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