Ein Spaziergang mit Thomas Kemmerich.

Der Tollpatsch von der FDP

Die preisgekrönte Reportage Von

Was macht eigentlich … Thomas Kemmerich? Anfang 2020 geriet der Friseur und FDP-Mittelständler kurzzeitig in die Schlagzeilen, als er versehentlich Vollstrecker eines protofaschistischen Putschversuchs und mit der Billigung Björn Höckes Ministerpräsident von Thüringen wurde. Nach scharfer Kritik bot er an, in den folgenden 30 Tagen sein Gehalt einer AfD-Organisation zu spenden, um danach wiederum von Bodo Ramelow abgelöst zu werden. Nun wurde er als Redner auf einer AfD-Demonstration gegen die Kontaktbeschränkungen gesichtet, ohne Mundschutz und Sicherheitsabstand – total unabsichtlich, wie er betonte. »Wie kann man nur so konsequent jedes Fettnäpfchen mitnehmen?« fragte da mit gespielter Ahnungslosigkeit die Zeit, und das ist auch die Frage, die wir dem Fettnäpfchenmarathonläufer heute stellen wollen.

Wir treffen den Mann vor der Thüringer AfD-Zentrale, wo er gerade zu Mittag gegessen hat. »Was, das Haus gehört der AfD? Mist!« ruft er schockiert und etwas zu laut. »Ich bin da eigentlich immer nur wegen des günstigen Mittagstischs. Es tut mir sehr leid, wenn mein Essen dort die Gefühle von Menschen verletzt haben sollte!« Wir gehen durch die Erfurter Innenstadt. Von Passanten wird Kemmerich mit durchgestrecktem Arm gegrüßt. Unser Augenrollen bringt ihn nicht aus der Ruhe: »Ich weiß schon, was sie denken. Aber das sind keine Nazis. Das sind alles FDP-Mitglieder! Die sind sauber!«

Wie lebt es sich als Ministerpräsident mit der kürzesten Amtszeit in der Geschichte der BRD? »Gar nicht schlecht, muss ich sagen. Ich habe ja immer noch mein Unternehmen, die Argentinien AG. Gut, dass das niemand zu sehr hinterfragt hat, warum ich da Vorstand geblieben bin, auch als Ministerpräsident. In solchen Sachen kann man sich auf den politischen Gegner verlassen!« Sein Auftritt auf der Demo? »Also, hätte ich gewusst, dass da auch die Leute erscheinen, die das angemeldet haben und mit denen mich auch langjährige Freundschaften verbinden, dann wäre ich da natürlich nie hingegangen! Leider besitze ich von Geburt an keinerlei Sinnesorgane und keine Gedächtniszellen, so dass mir solche Details oft entgehen.«

Wir gehen weiter in Richtung FDP-Zentrale. Kemmerich wirkt unbesorgt, summt eine alte Weise vor sich hin. Moment, war das nicht das Horst-Wessel-Lied? »Huch? Ich dachte, das sei von Helene Fischer. Das tut mir ebenfalls sehr, sehr leid. Falls Sie das schreiben können: Kemmerich entschuldigt sich für alles, was er bisher gesagt und getan hat, und für alles, was er künftig noch sagen und tun wird. Um ganz sicherzugehen!« Kemmerich bleibt einfach ein liebenswerter Tollpatsch!

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