Bov Bjergs Roman »Serpentinen«

Dämonen lauern hinter jeder Kurve

Platte Buch Von

Seinem traurig-heiteren Bestseller »Auerhaus« von 2016 lässt Bov Bjerg mit »Serpentinen« eine düstere Familienaufstellung folgen: Ein Vater reist mit seinem kleinen Sohn aus Berlin in seine Heimat auf der Schwäbischen Alb, um sich seiner belastenden Vergangenheit zu stellen – den Selbstmorden des Vaters, Großvaters und Urgroßvaters. Er hofft, auf dieser Reise auch die eigene Suizidalität überwinden zu können. Zwar hat er den sozialen Aufstieg geschafft und ist seinem prekären Herkunftsmilieu entkommen, doch die Dämonen der Deszendenz verfolgen ihn weiter. Um sie zu vertreiben, muss er die gewundenen Wege seiner alten Heimat noch einmal nehmen – und vielleicht auch ein noch gewaltigeres Opfer bringen.

Wie Bjerg mit gewagten Bildern und und selbstgeißlerischem Sarkasmus den Wiederholungszwang seines Erzählers inszeniert und zugleich zu durchbrechen versucht, ist großartig gemacht.

Im Vergleich mit anderen literarischen Annäherungen an trinkende Prügelväter, Depressionen und Selbstmorde in der Famillie – etwa in Christian Barons Autofiktion »Ein Mann seiner Klasse« und David Vanns Roman »Momentum« – ist »Serpentinen« vielleicht das mit dem größten Stilwillen. Zugleich ist dem autobiographisch geprägten Roman trotz aller inneren Bewegtheit fast eine gewisse Kälte eigen. Das mag mit der doppelten Perspektive zusammenhängen: Anders als bei Baron und Vann ist der Erzähler bei Bjerg selbst Vater eines Sohnes; er setzt sich also immer auch mit beiden Rollen auseinander, der des Sohnes und der des Vaters. Denn auch sein kleiner Sohn beginnt, Fragen an ihn zu stellen. Entsprechend schwerer fällt die Heilung. Oder fällt sie letzlich dadurch leichter?  Dennoch wird die Härte eines doppelten Kampfes nur allzu greifbar – aber auch die Chance, die darin liegt.

Bov Bjerg: Serpentinen. Claassen-Verlag, ­Berlin 2020, 270 Seiten,
22 Euro