Die US-amerikanischen College-Athleten fordern ihren Anteil an den Gewinnen

Nicht mal ein Taschengeld

Ein kalifornisches Gesetz gesteht College-Sportlern zum ersten Mal das Recht am eigenen Namen und Bild zu. Mit gezielter Lobbyarbeit will der Universitätssportverband NCAA dafür sorgen, dass die Athleten arm bleiben.

Es gehört wohl zum Schicksal der Amateursportler, dass ihre Spitzenleistungen kommerzialisiert werden, ohne dass es ihnen zugutekommt. Eine Zeitlang geht das gut – zum Wohle des Sports, wie es in diesen Fällen aus den zuständigen Ver­bänden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit heißt. Bis das System kippt, weil die Sportler die finanzielle Ausbeutung nicht länger hinnehmen wollen und sich in der Gesellschaft Kritik an diesen Zuständen regt.

Eine angemessene Bezahlung der Sportler, wie sie seit mehr als einem Jahrzehnt gefordert wird, steht immer noch aus.

An diesem Punkt ist mittlerweile der US-amerikanische College-Sport angekommen. Bisher erhalten die Universitätssportler für ihre sportlichen Leistungen ein Stipendium, die National Collegiate Athletic Association (NCAA), die Colleges und ­deren Zusammenschlüsse in Ligen streichen die Gewinne aus Zuschauereinnahmen, Sponsorendeals, Fernsehgeldern und sonstigen Lizenz­geschäften ein. Dieses Geschäftmodell steht vor dem Aus. Doch kampflos dürften diejenigen, die von diesem System profitieren, nicht aufgeben.

Der Gesetzgeber im Bundesstaat Kalifornien hat auf Beteiligung der Athelten bestanden. Die NCAA hatte argumentiert, dass dies den gesamten College-Sport zerstören würde, weil dadurch das empfindliche System der Chancengleichheit und der Ausgeglichenheit zwischen den Sportteams der Universitäten aus dem ganzen Land durch einen finanziellen Wettstreit ersetzt würde, bei dem nur noch die Universitäten gewinnen könnten, die das meiste Geld haben – und potentiellen Spitzenathleten mehr bieten könnten als die Konkurrenz. Einer der Haken an der Sache: Es ging und geht bei diesem Gesetzentwurf gar nicht um die direkte Bezahlung der Sportler; es sollte lediglich geregelt werden, dass die Athleten die Rechte an ihrem eigenen Namen und am eigenen Bild behalten und vermarkten können und dass sie Sponsorenverträge eingehen und sich professionell beraten lassen dürfen, ohne ihre Teilnahmeberechtigung am College-Sport zu verlieren. Eine regelrechte Bezahlung der Athleten, wie von vielen seit mehr als einem Jahrzehnt gefordert, steht damit noch nicht einmal auf der Tagesordnung.

Trotzdem ist das Gesetz ein erster großer Schritt. Bisher ist die Höchstgrenze der Gegenleistungen, die eine Universität einem Athleten anbieten darf, streng geregelt. Sie bestehen aus den Studiengebühren plus Kosten für Bücher, Kost und Logis. Vollstipendiaten müssen die Studien­gebühren nicht bezahlen, erhalten einen Platz im Wohnheim, können in der Mensa kostenlos essen, Bücher für den Unterricht werden gestellt. Sportequipment dürfen sie ebenfalls kostenlos benutzen. Nicht enthalten ist ein Taschengeld für Kleidung, Hygieneartikel oder Freizeitgestaltung. Das macht das Alltagsleben der jungen Sportler schwer, vor allem weil ein hoher Prozentsatz von ihnen aus ärmeren Verhältnissen stammt und von zu Hause keine finanzielle Unterstützung erwarten kann.

Dabei war die NCAA nicht als Lobbygruppe der Universitäten gegründet worden. Sie entstand 1906 – in den ersten vier Jahren ihres Bestehens noch unter dem Namen Intercollegiate Athletic Association of the United States (IAAUS) –, nachdem sich der Sohn des damaligen Präsidenten Theodore Roosevelt in Harvard beim American Football schwer verletzt und der Präsident daraufhin mit Vertretern der drei Ivy League-Univer­sitäten Yale, Princeton und Harvard diskutiert hatte, wie man den College-Sport sicherer machen könnte. Mittlerweile hat sich daraus eine Marketingmaschine entwickelt, die mehr als eine Milliarde US-Dollar im Jahr einnimmt. Und wo es so viel Geld zu verdienen gibt, da tut man sich mit Veränderungen schwer.

Die Lobbyarbeit gegen das kalifornische Gesetz hat nicht funktioniert, wohl auch, weil es nur geringe Änderungen bringt und den Spielern ­lediglich die Rechte an der eigenen Person zugesteht. Mark Emmert, der Präsident der NCAA die Universitäten Kaliforniens von den Meisterschaften der NCAA auszuschließen, weil sie dadurch, dass ihre Sportler das Recht haben, den eigenen Namen zu vermarkten, einen Wettbewerbsvorteil hätten. Doch das ging nach hinten los. Nun steht in dem Gesetz, dass die NCAA kalifornische Universitäten und ihre Sportler für die Gewährung beziehungsweise Wahrnehmung dieser Rechte nicht bestrafen darf.

Schlecht für die NCAA ist auch, dass mehrere weitere Bundesstaaten ­Gesetze nach dem kalifornischen Vorbild verabschieden wollen. Der Druck ist so hoch, dass der Vorstand der NCAA umgehend eine Änderung der Regeln beschloss. Weitgehend stimmen diese Regeln mit ­denen des kalifornischen Gesetzes überein, jedoch werden sowohl Sponsorenverträge für einzelne Athleten als auch die professionellen Agenten mit keinem Wort erwähnt. Offenbar versucht die NCAA, vor ­allem die Sponsorengelder allein dem Verband vorzubehalten und daneben den Studenten auch das Recht auf professionelle Beratung zu verwehren.

Zugleich bemühen sich die NCAA und ihr nahestehende Politiker wie der republikanische Senator aus North Carolina, Richard Burr, Unterstützer solcher Gesetzesvorhaben mit Drohungen zu verunsichern. »Wenn Athleten mit ihrem Namen in der College-Zeit Geld verdienen können, dann müsste der Wert ihrer Stipen­dien doch als Einkommen versteuert werden«, sagte er. Bekannte Sportler, wie zum Beispiel der Quarterback Tim Tebow, der sich in der National Football League (NFL) zwar nicht durchsetzen konnte, wegen seiner Gläubigkeit aber von den Evangeli­kalen weiterhin verehrt wird, und der immer wieder in konservativen ­Medien auftritt, lassen sich mit Aussagen zitieren wie: »Im College sollte es darum gehen, seine Träume zu verfolgen, und um das, was man dem College geben kann, und nicht darum, Geld zu verdienen.«

Zugleich hat sich auch die Taktik der NCAA gewandelt. Sie will eine ­Regelung per Bundesgesetz erreichen. So könnte sie wenigstens die Lobbyarbeit darauf konzentrieren und ein für alle Bundesstaaten geltendes Gesetz erreichen, in dem möglichst wenige Änderungen am Status quo enthalten sind. Die vom Vorstand ­beschlossenen Änderungen sind dafür ein guter Gradmesser, er will vor allem nicht die Dinge ändern, die am einträglichsten sind.

So verwundert es kaum, dass ­Ramogi Huma, der Geschäftsführer der National College Players Asso­ciation (NCPA), den Beschluss des NCAA-Vorstands kritisierte: »Leider scheint das in noch größerem Maße Schall und Rauch zu sein, als wir in den vergangenen Monaten schon vermutet haben.« Die NCAA hat keine konkreten Vorschläge, wie die Studenten überhaupt Geld verdienen könnten. »Sie lehnt notorisch alles ab«, sagte Huma. Stattdessen wurden alle in der NCAA organisierten Universitäten angewiesen, Ideen zu erarbeiten, wie man die Regeln so ­modernisieren könnte, dass eine klare Unterscheidung zwischen College-Sport und professionellem Sport weiter erhalten bleibt. Dieser Vorgang soll bis Anfang nächsten Jahres abgeschlossen werden, wesentlich schneller als das kalifornische Gesetz. ­Dieses soll erst im Januar 2023 in Kraft treten.

LeBron James, der derzeit beste Basketballer der Welt, sagte über die Verabschiedung des kalifornischen Gesetzes: »Ein schöner Tag für alle College-Athleten. Zwar kein Sieg, aber ein Anfang!« Die Diskrepanz zwischen der Armut der College-­Athleten und den Milliardeneinnahmen der Universitäten durch den Sport ist der Öffentlichkeit immer schwerer zu vermitteln. Dafür sorgen nicht zuletzt die Bilder der luxuriösen Umkleidekabinen mit Marmorböden und vergoldetem Stuck, in denen an den Spieltagen diejenigen sitzen, die sich oft nicht einmal eine Kinokarte leisten können.