Die preisgekrönte Reportage

»Bild« sprach mit dem Penis

Eine Boulevardzeitung besinnt sich auf ihre Kernkompetenz.
Kolumne Von

Bild geht es schlecht. Seit Jahren hangelt sich das defizitäre Boulevardblatt an der Relevanzgrenze entlang. Der Politikteil, das einstige Prestigeprojekt (»So geil war Helmut X. wirklich«), soll geschrumpft werden. Verzweifelte Bemühungen, das untergehende Medium an ein anderes sterbendes Medium, das Fernsehen, zu koppeln, wie sie zurzeit wieder diskutiert werden, können die strategische Ratlosigkeit der Führungsspitze nicht kaschieren. Die Hoffnung, noch einmal mit einem krassen Rechtsschwenk Kasse zu machen (Leitartikel von Mathias D.: »Warum politische Attentate uns nicht weiterhelfen«), scheitert an der chronischen Unzuverlässigkeit der Zeitung in diesen Fragen (»Refugees welcome«, Bild 2015).

Derweil gelingt es namenlosen Helden bei Bild Online, mit einer neuen Content-Strategie Clicks abzugreifen: Artikel und Info-Häppchen zum Thema Penisgröße! Seit Wochen wird das Thema Penis bei Bild, ähm, durchgekaut: »Welche Penislänge ist normal«, »Der Penis wird im Alter kürzer«, »Zwei Frauen berichten: So war der Sex mit einem XXL-Penis«, »Orlando Bloom: ›Ich bin nicht so gut bestückt, wie es aussieht‹« – dies nur die wichtigsten Top-News der vergangenen Monate. Zwischen all den Nachrichten über »Messer-Männer«, »Asyl-Anarchie« und »Brutal-Zoff« nehmen sich die Penisnachrichten wie Balsam für die Seele aus. Meist sind die Beiträge verschämt hinter der Paywall versteckt, auch fehlt allzu oft die Autorenzeile, die Auskunft geben könnte darüber, wer da mit dem Metermaß neben Orlando Bloom steht.

Wer ist die Zielgruppe für diese Artikel, wie groß (naja) ist diese? Bringt sich hier vielleicht ein neues Rechercheteam in Stellung, gegen dessen geballte Kompetenz die geschasste ­Politikredaktion unweigerlich den (auweia) Kürzeren ziehen musste? Ist es vielleicht Bild-Chef und »Editor-at-Xtralarge« (Twitter-Bio) Julian Reichelt selbst, der hier mittextet? Wie auch immer: Der Platz, den die Pimmelnachrichten erhalten, steht in einem eigenartigen Missverhältnis zu den (mittlerweile abgeschafften) Busen-News, für die Bild jahrzehntelang bekannt war. Ein subtiler Schritt Richtung Gender-Mainstreaming? Oder doch nur der übliche heteronormative Extremscheiß? 

Das Recherche-Team der »Preisgekrönten Reportage« bleibt weiter dran!