Linke, Rassismus und Islamkritik

Rassistische Islamkritik ist ein Widerspruch

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Zwar gibt es auch christlich gerechtfertigte Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen, die manchmal ebenfalls Mordaktionen wie die der »Lord’s Resistance Army« in Uganda oder des norwegischen Terroristen und selbsternannten Kreuzritters Anders Behring Breivik einschließen. Doch stehen diese in keinem Verhältnis zu den Dimensionen islamistischer Barbarei. Es waren nicht Christen, die die Mas­saker vom 11. September 2001, den mörderischen Anschlag 2015 auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo und zahlreiche ähnlich motivierte ­Verbrechen verübt haben, übrigens weitaus häufiger in islamischen als in westlichen Ländern. Al-Qaida, der »Islamische Staat«, die Taliban, Hamas oder Hizb­ollah sind keine christlichen Organisationen, die brutalen Regimes in Ländern wie Iran, Saudi-Arabien oder inzwischen auch der ­Türkei agieren auf der Basis islamistischer, nicht christlicher Ideologie. Wer sich vom Christentum lossagt, muss unter Umständen mit Sanktionen rechnen, zum Beispiel Entlassung aus kirchlichen Arbeitsverhältnissen. Wer sich vom Islam lossagt, begibt sich oft in Lebensgefahr. Die Gleichsetzung verbietet sich also und hat mit materialistischer Religionskritik nichts zu tun, denn diese nimmt die konkreten, spezifischen Grundlagen von Religionen ins Visier und schert nicht alles über einen Kamm.

Der Verweis auf das Fehlen von Kritik am Christentum in kritischen Debatten über den Islam dient der Ablenkung. Wenn es in einer Diskussion um den Islam geht, ist eben dieser Thema und nicht das Christentum. Der Vorwurf, ­Islamkritiker würden schweigen, sobald es um christlich gerechtfertigte Untaten gehe, ist nur eine Unterstellung, solange er nicht weiter begründet wird.

Zur Frage nach den historischen Ursprüngen dieser auf den Islam bezogenen Relativierung linker Religions­kritik sei auf das Interview mit Thierry Chervel in dieser Zeitung verwiesen. Dort benennt er das bis heute anhaltende angstbedingte Einknicken vieler Linker und Liberaler angesichts der Fatwa Khomeinis gegen ­Salman Rushdie 1989. Diese Angst vor der Gewaltbereitschaft von Islamisten wurde als »Respekt« vor dem Islam rationalisiert. Ein weiterer Faktor ist das der Linken abhanden gekommene revolutionäre Subjekt, zu dem ersatzweise die ausschließlich als bedrohte Minderheit und als Opfer betrachteten Muslime erklärt wurden; eine Annahme, die dann ebenfalls zur Rationalisierung des gerechtfertigten Bedrohungsgefühls beitrug.

Eine Linke, die auf Islamkritik verzichtet oder diese gar als rassistisch beziehungsweise »islamophob« denunziert, wirft den universalistischen Freiheits- und Gleichheitsanspruch über Bord. In Tateinheit überlässt sie der Rechten das Thema, die sich dann als die einzige Kraft verkaufen kann, ­welche die Dinge beim Namen nennt, während sie nach Islamkritik klingende Floskeln in einem gegenaufklärerischen, antiemanzipatorischen Sinne umdeutet.

In dieser verwickelten Situation stellt sich die Frage, ob emanzipatorisch orientierte Islamkritiker mit rechten Muslimhassern überhaupt reden sollen. Wir denken, sie sollten es nicht ohne Not tun, beantworten diese Frage also mit einem eingeschränkten »Nein«. Wo Rechte, in der Regel Vertreter der AfD, in Stadträten, Parlamenten und vielleicht demnächst auch in Landesregierungen sitzen, sind Gespräche nicht zu vermeiden und finden, auch seitens linker Politiker, ohnehin bereits statt. Auf öffentlichen Veranstaltungen mit AfD-Politikern zu diskutieren oder sich sogar von diesen als Referent einladen zu lassen, halten wir jedoch für falsch. So kritisieren wir, dass Seyran Ateş eine Einladung der »Freiheitlichen Akademie Wien«, einer Bildungseinrichtung der rechtsextremen

FPÖ, angenommen hat – nicht, weil sie damit eine wie immer geartete ideologische Nähe zur FPÖ offenbart hätte, wie ihr von verschiedenen Seiten böswillig unterstellt wurde, sondern weil Ateş, auch wenn sie, wie geschehen, die FPÖ kritisiert hat, die Position dieser Partei als diskussionswürdig aufwertet.

 

Die Autoren sind Mitverfasser der Flugschrift »Lachen gehört zu einer freien Gesellschaft« der Aktion 3. Welt Saar, die unter anderem der Jungle World 48/2018 beilag.