ჯუნგლები - Safe Sex mit politischer Botschaft

Kondome gegen Putin

Das georgische Unternehmen Aiisa macht mit politischen Kondomen auf sich aufmerksam. Die Gründerin Anania Gachechiladze hat die Kirche und Rechtsextreme gegen sich aufgebracht.

»Sie wollten mich verbrennen wie eine Hexe«, sagt die 23jährige Anania Gachechiladze. Die Unternehmerin aus Tiflis richtet sich spontan ein Büro in der Fabrika ein, einer Mischung aus Hostel, Coworking Space und Ladenflächen für Hipsterfriseure und Bars. Viel Beton, abgerockte Wände und an der Wand ein Gemälde mit Kosmonauten.

Gachechiladze benutzt ihre Sonnenbrille als Haarreif, damit ihre dunklen lockigen Haare nicht ins Gesicht fallen, setzt sich in die Lobby der Fa­brika, packt zwei Dutzend Kondome auf den Tisch und sagt souverän: »Ich bin die erste Kondomproduzentin Georgiens.«

Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei ein Sticker, den Aniisa zum zehnten Jahrestag des Kaukasus-Kriegs herausbrachte. Er zeigt Wladimir Putin, der bei der Siegerehrung nach dem Finale der Fußball-WM unter einem Schirm steht. Darüber steht der Satz: »Every dick needs protection.«

Ihr Unternehmen heißt Aiisa, was so viel bedeutet wie »dieses Ding da drüben«. »Gerade in der Kaukasus-Region sind die meisten Menschen noch sehr verschämt beim Kondomkauf und darauf wollten wir ironisch anspielen«, sagt sie. Viele kleine ­Läden bieten überhaupt keine Kondome an.

Die Besonderheit an den Kondomverpackungen von Aiisa ist, dass sie abziehbare Sticker mit politischen Botschaften und einen QR-Code mit Soundcloud-Playlisten enthalten, die nach Meinung des Unternehmens sexuelle Aktivitäten musikalisch unterstützen können.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei ein Sticker, den Aniisa zum zehnten Jahrestag des Kaukasus-Kriegs herausbrachte. Man sieht dort das Bild von Wladimir Putin, der bei der Siegerehrung nach dem Finale der Fußball-WM unter einem Schirm steht. Darüber steht der Satz: »Every dick needs protection.«

Gachechiladze ist ein großer Fußballfan, doch die WM in Russland bezeichnet sie wegen des Gastgeberlands als »blutig«. Als sie Putin beim WM-Finale sah, kam ihr die Idee für das neue Design: »Wir leiden schon seit meiner Geburt an der Besatzung durch Russland. Ich kenne es nicht anders, und diese Bilder sind meine Art, dagegen zu protestieren.«

Sie protestiert auch gegen die offene Homofeindlichkeit der georgisch-orthodoxen Kirche. Einer der Sticker zeigt eine Regenbogenflagge, auf der in altgeorgischer Schrift steht: »Es gibt Schwule in Georgien.« Das ist eine Anspielung auf die Aussage eines ranghohen Geistlichen, der behauptete, in Georgien gebe es keine Schwulen. Die altgeorgische Schrift wird nur von der Kirche verwendet.

Die größten Probleme bekam die Unternehmerin aber, weil sie ein Bild der mittelalterlichen georgischen Königin Tamara auf eine Kondompackung druckte und sie mit Cersei Lannister, der intriganten Herrscherin aus »Game of Thrones«, verglich. Daraufhin demonstrierten Hunderte Rechtsextreme vor dem Parlament in Tiflis gegen Aiisa. Auch an diesem Tag sind sie nicht weit von Anania Gachechiladze entfernt. Mitglieder der rechtsextremen Partei »Georgischer Marsch« stehen vor der nahegelegenen Metrostation und sammeln Unterschriften für die Forderung, Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern den Aufenthalt in Georgien zu verbieten.

Hunderte Vertreter der georgisch-orthodoxen Kirche demonstrierten auch vor dem neuen Parlamentsgebäude in Kutaissi, wo die Abgeordneten seit 2012 tagen, gegen Aiisa. Das Patriarchat gab eine Presseerklärung ab, in der das Unternehmen und Anania Gachechiladze als Problem bezeichnet wurden, das außer Kontrolle geraten sei und nun beseitigt werden müsse.

»Zuerst dachte ich mir: Wow! Ich bin in einem offiziellen Statement der Kirche«, sagt Gachechiladze und lacht ironisch. Doch das Lachen vergeht ihr schnell und sie schaut zum ersten Mal im Gespräch todernst: »Die Kirche hat uns damit in Gefahr gebracht. Es ist kein Geheimnis, wo ich lebe, und manche Extremisten könnten in diesen Worten eine Rechtfertigung sehen, mich zu töten.«

Die Adresse des Büros von Aiisa bleibt deswegen geheim. Doch Probleme machen nicht nur die Rechtsextremen und die Kirche. Auch die Justiz in Georgien geht gegen Aiisa vor. Am 4. Mai wurde das Unternehmen von einem Gericht in Tiflis wegen

»unethischer« Sticker zu einer Geldstrafe von 500 Lari verurteilt und der Vertrieb von drei Stickermotiven verboten. Grundlage für das Urteil war ein Gesetz, das noch aus sowjetischen Zeiten stammt.

Der Fall sorgte in Georgien für viel Aufsehen und eine Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit. Weil Königin Tamara von der georgisch-orthodoxen Kirche heiliggesprochen wurde, werfen die religiösen und nationalistischen Gegner der Meinungs- und Kunstfreiheit Aiisa Blasphemie vor.

Anania Gachechiladze will das Urteil nicht auf sich sitzenlassen und hat den Fall vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht. Sie ist zuversichtlich: »Ich habe keine Zweifel daran, dass wir den Fall in Straßburg gewinnen werden. Schließlich leben wir in einer Demokratie.«