Imprint - Abdruck aus: »Fels«

Als Albert Fels verschwand

Während sie hochbetagt im Krankenhaus liegt, erzählt seine Großmutter dem Autor die Geschichte ihrer Jugend. Zur Sprache kommt dabei nicht nur die Erinnerung an ihre Liebe zu einem Wehrmachtssoldaten, sondern auch der frühere jüdische Nachbar Albert Fels, der zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in eine »Heilanstalt« gebracht wurde und von dort nie wieder zurückkehrte.

Am Freitag wird er in die Heil- und Pflegeanstalt verlegt. Es ist ein kühler Frühlingstag, und im Krankenhaus haben sie ihm seinen zerschlissenen Wintermantel über die Schultern ­gelegt. Als einer der Wärter, ein stämmiger Mann in Kittel und Schürze, ihm beim Aussteigen aus dem Krankenwagen helfen will, beginnt der Patient sich zu wehren. Wortlos schlägt er um sich, der Mantel fällt zu ­Boden.

Ein zweiter Wärter kommt dazu. Die beiden Männer greifen dem Patienten unter die Arme und schleppen ihn über das Kopfsteinpflaster im Innenhof des ehemaligen Klostergebäudes. Im Treppenhaus versucht er sich zu befreien und klammert sich mit aller Kraft an die Messinghandläufe und die hölzernen Sprossen des Geländers. Im ersten Stock befindet sich die Männerstation. Mit einem abgewetzten Ledergurt fixieren sie ihn auf ­einem Bett im hinteren Teil des großen Schlafsaals. Die Wunde hat wieder zu bluten begonnen, und auf dem Kopfverband zeichnen sich rote ­Flecken ab.

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