Gesprächsreihe »Die Ästhetik des Widerstandes« im Berliner Hebbel-Theater

Unabhängige Beobachter

Am Berliner Theater HAU wird über europäischen Faschismus debattiert.

»Der Faschismus bekämpft nicht das Leid, sondern die Leidenden. Er kommt in der Krise mit einem einzigen ›Versprechen‹: sie in eine Katastrophe zu verwandeln.« Unter diesem Motto setzt sich eine fünfteilige Gesprächsreihe im Berliner Theater Hebbel am Ufer (HAU) mit der »Wiederkehr des europäischen Faschismus« auseinander. Die Reihe ist Teil des Festivals »Die Ästhetik des Wiederstands – Peter Weiss 100«. Anknüpfend an das Buch von Weiss, in dessen Zentrum der Kampf gegen den historischen Faschismus steht, analysieren internationale Redner gegenwärtige Entwicklungen in Europa.
Die Zusammenstellung des Programms sei schwierig gewesen, sagt die Kuratorin Bini Adamczak. Es mangele an theoretischen Auseinandersetzungen mit gegenwärtigen Erscheinungsformen des Faschismus. Dabei sei das Thema heute, wo Rechte nicht nur in Ungarn, Kroatien und Frankreich eine bedeutende Rolle spielen, umso wichtiger. Viele Menschen suchen angesichts wirtschaftlicher Krisen in etlichen europäischen Ländern Schutz im Nationalismus, meint Adamczak. In Frankreich etwa schließe sich die Arbeiterklasse nicht mehr sozialistischen Gruppierungen an, sondern dem rechtsextremen Front National. »Ich habe das Gefühl, dass sich früher mehr Menschen mit der Antifa identifiziert haben«, sagt Adam­czak. Es geht darum, die Kontinuität faschistischen Denkens seit 1900 nachzuzeichnen, etwa im Auftaktvortrag des israelischen Politologen Zeev Sternhell am 1. Oktober, »Von der Gegenaufklärung zum Faschismus«. Im Vortrag »Resisting Fascism« am 8. Oktober diskutiert dann ein international besetztes Panel über Gegenwehr durch aktiven Widerstand. Zu Wort wird der griechische Aktivist Grigoris Panoutsopoulos kommen, der in seiner Herkunftsstadt Athen mit Gleichgesinnten die rechtsextreme Partei Goldene Morgenröte bekämpft und gleichzeitig Geflüchtete unterstützt. Dabei geht es ihm speziell darum, antifaschistische Politik sozial zu gestalten, um den Extremisten der Goldenen Morgenröte, die auch mit sozialen Maßnahmen und Straßenfesten Anhänger für sich gewinnen wollen, das Wasser abzugraben. Bei der Diskussion wird auch die französische Bewegung »Nuit debout« eine Rolle spielen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, emanzipatorische Lösungen gegen den Front National anzubieten. Liz Fekete vom britischen Institute of Race Relations wird erläutern, warum es sich nicht um eine Wiederkehr, sondern um eine andere Art des Faschismus handelt. Mima Simić wird eine queerfeministische Perspektive in die Diskussion einbringen.
Um den NSU-Prozess geht es in zwei anderen Veranstaltungen, die in Kooperation mit dem Tribunal »NSU-Komplex auflösen« stattfinden. Dabei soll sowohl die bisherige Aufarbeitung analysiert als auch in die Zukunft geblickt werden. Das Tribunal versteht sich als unabhängiger Beobachter des Prozesses gegen die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe und vier Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrunds, in dem seit dreieinhalb Jahren verhandelt wird und demnächst das Ende der Beweisaufnahme ansteht. Zschäpe ist als Mittäterin bei zehn Morden angeklagt, die ihre NSU-Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt verübt haben sollen. Das Urteil in dem Verfahren könnte im März 2017 verkündet werden. »Doch wenn der Prozess vorbei ist, ist damit nicht das Problem des strukturellen Rassismus in Deutschland gelöst«, sagt Adamczak. Es handle sich nicht nur um ein Phänomen am rechten Rand, es betreffe die ganze Gesellschaft. Auch hier soll die europäische Perspektive in den Blick genommen werden, um Lösungsansätze zu finden. In England gebe es beispielsweise bei Prozessen, in denen rassistische Straftaten verhandelt werden, unabhängige Beobachter in den Gerichtssälen. Eben diese Aufgabe will auch das NSU-Tribunal übernehmen.