Abnehmen wie ein Mann

Natürlich ist Wien bei Joachim Lottmann schriller, als im Reiseführer dargestellt, Kokain nicht so schlimm, wie die Suchtberichte sagen, und die Kunstszene ganz anders, als es die Zeitschrift Texte zur Kunst vermuten lässt. »Endlich Kokain« handelt von einem ORF-Redakteur, der nach seiner Frühpensionierung einen zweiten Frühling als sexuell begehrter It-Man erlebt. Eigentlich ist er in die Kunstschickeria eingetaucht, weil er dort schnell an Kokain kommt. Das Koks wiederum hat sich der übergewichtige Mittfünfziger aus medizinischen Gründen verordnet – um abzunehmen und dem drohenden Tod durch bluthochdruckbedingten Infarkt zu entgehen. Ein willkommener Nebeneffekt der Koksdiät aber ist die magische Anziehungskraft, die der erschlankende Ex-Journalist fortan auf weibliche Kunststars in der Altersgruppe von 29 bis 31 Jahren ausübt. Die Frauen sehen aus wie Models in flachen Schuhen mit Kunsthistorikerinnenabschluss und werden »Galerinas« genannt. Wie im Lottmann-Kosmos üblich, dient die Houellebecqsche Theorie der sexuellen Auslese der Jungen und Schönen als Matrix der Handlung. Darin scheint die Medienerzählung über den verstorbenen Malerfürsten Jörg Immendorf auf, der, unheilbar krank, seine Todeangst mit Drogen und aufwendigen erotischen Inszenierungen bekämpft haben soll. »Endlich Kokain« ist eine amüsante Mischung aus Satire, Confessional Writing und Poproman. Eine starke Prise Herrenwitz ist allerdings auch beigemischt.

Joachim Lottmann: Endlich Kokain. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014, 9,99 Euro, 235 Seiten