Das Coming-out des NBA-Profis Chris Kluwe

Das Danach ist das Problem

Das Outing des NBA-Profis Jason Collins hatte ein Nachspiel. Chris Kluwe, Punter beim NFL-Club Minnesota Vikings, verlor seinen Job. Er hatte den Schritt Collins’ ausdrücklich begrüßt und sich für die Rechte von Homosexuellen engagiert.

Das Outing des US-Basketballers Jason Collins war zunächst so aufgenommen worden, wie der Sportler es sich erhofft haben dürfte. Die spontanen Reaktionen auf sein öffentliches Coming-out waren durchweg positiv. Basketball-Superstar Kobe Bryant hatte beispielsweise getwittert: »Proud of @jasoncollins34. Don’t suffocate who u r because of the ignorance of others«. Er hatte seine Fans unter dem Hashtag #mambaarmystandup um Unterstützung gebeten. In einem Interview mit E! News legte Bryant nach: »Ich finde sein Coming-out sehr mutig. Als seine Kollegen müssen wir ihn nun unterstützen, hoffentlich machen es ihm alle anderen nun nach und können dann endlich sie selbst sein.« Prominente aus Kultur und Politik bis hin zu Präsident Barack Obama schlossen sich an. Ganz so freundlich, wie es zunächst den Anschein hatte, verlief die Debatte dann aber doch nicht.
Ein Problem hatte etwa Chris Broussard. »Ich bin Christ«, begann der ehemalige New York Times-Journalist seinen Kommentar im zum Disney-Konzern gehörenden Sportsender ESPN, »ich bin gegen Homosexualität. Ich halte sie für eine Sünde, genau wie ich unehelichen Sex zwischen einem Mann und einer Frau für Sünde halte.« In einem sündigen Verhältnis miteinander zu leben, sei »offene Rebellion gegen Gott und Jesus Christus«. Überraschend kam dieses Statement nicht, Broussard hatte sich bereits 2009 in einem Blogpost ähnlich geäußert. Mal schrieb er aber auch, dass er fest davon überzeugt sei, dass die NBA so weit sei, einen offen schwulen Spieler zu akzeptieren. Ausgerechnet ein Kommentator des ultrakonservativen Senders Fox antwortete Broussard mit einem langen Text, in dem Jason Collins nicht nur explizit unterstützt wurde. Jason Whitlock, ehemaliger Footballspieler und preisgekrönter Sportjournalist, warnte darin auch, dass die vielen Solidaritätserklärungen nicht darüber hinwegtäuschen dürften, dass sich in absehbarer Zeit auch noch ganz andere Stimmen als Broussard zu Wort melden würden. »Bald, viel eher, als alle denken, wird bei der Jason-Collins-Party die letzte Runde eingeläutet, die freundlichen Worte werden immer seltener und die Kräfte der Regression werden seine Geschichte auseinandernehmen, seine Motive in Frage stellen und laut protestieren, dass der Platz des schwulen Mannes am Tisch der Gleichberechtigung zur Zerstörung dieser großartigen Nation führen werde.« Collins’ Karriere werde aus Altersgründen nicht mehr lange dauern, führte Whitlock weiter aus, in der letzten Saison spielte er gerade in 38 Matches und erzielte darin einen Punkt und einen Rebound. Als sogenannter free agent ist er überdies gerade ohne Verein – und genau das werde ihm schon sehr bald zum Vorwurf gemacht werden. Sein Outing diene, werde es bald heißen, nur dazu, ihm einen neuen Job zu verschaffen. Oder: »Collins, so wird argumentiert werden, ist Teil des perfiden Plans der schwulen und lesbischen Community und ihrer liberalen politischen Unterstützer, ihren unmoralischen Lebensstil zum Mainstream zu machen.« Daher bleibe nur eine Lösung: Die Öffentlichkeit müsse auch weiterhin scharf auf jeden Angriff gegen Collins reagieren – und die NBA dafür sorgen, dass »Collins für die nächsten 82 Spiele einen Job bei einem Verein hat«.
Ein vehementer Unterstützer des schwulen Basketballers ist seinen Job gerade losgeworden; und nicht nur Fans gehen davon aus, dass nicht mangelnde sportliche Leistungen, sondern Engagement für gleiche Rechte von Schwulen und Lesben der Grund für die Entlassung sind, und das ausgerechnet wenige Tage nach einem offiziellen Treffen der NFL mit LGBT-Gruppen, auf dem darüber diskutiert wurde, wie man schwulen Spielern ein Outing erleichtern könne. Kurz zuvor hatte ein Nachwuchsspieler darüber berichtet, dass ihm von Talentscouts der Liga sehr eindeutige Fragen wie »Hast du eine Freundin?« und »Stehst du auf Mädchen?« gestellt wurden, offenkundig, um herauszubekommen, ob er schwul sei.
Chris Kluwe, bis vor wenigen Tagen Punter beim NFL-Club Minnesota Vikings, ist der Footballspieler, der sich am deutlichsten für Collins eingesetzt hatte. Sein Verein hatte einige Tage zuvor einen neuen Punter verpflichtet und erklärt, dass die beiden Sportler im Training um den Platz im Team kämpfen sollten. Dann wurde Kluwe plötzlich entlassen, ohne dass irgendwelche Ausscheidungstests stattgefunden hatten. Der Gouverneur von Minnesota, Mark Dayton, reagierte umgehend auf die Entscheidung der Vikings: »Das fühlt sich nicht gut an«, sagte er und forderte die Verantwortlichen auf, die wahren Gründe für den Rausschmiss zu nennen. Kurz zuvor hatte sich das Parlament des Bundesstaates mit 75 zu 59 Stimmen für die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe entschieden, die Chancen, dass ein entsprechendes Gesetz vom Senat gebilligt wird, stehen sehr gut. Kluwes Entlassung sei die Quittung für dessen explizite Unterstützung von Schwulen und Lesben, glaubt der Gouverneur.
Das sei schon ein sehr cooles Statement gewesen, freute sich der Sportler, »zumal Gouverneure sich ja eher selten über Footballspieler äußern«. Gegenüber einem Lokalradio sagte Kluwe, dass er nun hoffe, noch ein anderes Team zu finden, »vier, fünf Jahre kann ich sicher noch auf einem sehr hohen Level spielen«. Auf die Frage, ob die Kosten für sein Engagement nicht sehr hoch gewesen seien, antwortete er: »Ich weiß es nicht, ich bin ja bei den Meetings nicht dabei und weiß nicht, was zwischen Managern und Trainern so geredet wird.« Aber wenn er sich aussuchen dürfte, wie er in Erinnerung bleiben solle, dann »möchte ich das eher als jemand, der anderen Leuten half und verhinderte, dass Kinder sich umbringen wollen«. So sehr er Football liebe, »es gibt sehr wichtige soziale Themen, die unsere Zivilisation plagen und die müssen angesprochen werden. Wenn dies niemand tut, wird sich nichts ändern.« Er sehe sich in der Tradition von zahlreichen anderen amerikanischen Sportlern wie Jackie Robinson und Muhammad Ali, die sich in der Vergangenheit in politische Debatten einmischten. »Diese Annahme, dass man nur seinen Job machen und über nichts sprechen sollte, das darüber hinaus geht, hat nun wirklich nichts mit demokratischen Idealen zu tun.«
Ob Kluwe einen neuen Verein finden wird, ist ungewiss. Sein Fall wird jedoch von vielen schwulen Sportlern ganz genau beobachtet werden. Womöglich auch von acht britischen Kickern, die sich zwar ihren Kollegen gegenüber bereits geoutet haben, aber aus Angst vor negativen Reaktionen der Fans nicht öffentlich zu ihrem Schwulsein stehen wollen.
Erst im Januar hatte sich der Kicker Robbie Rogers, ein US-Amerikaner, der bei Leeds United unter Vertrag war, in gegenseitigem Einvernehmen von seinem Verein getrennt. Einen Monat später outete Rogers sich und sagte, es sei nach wie vor »unmöglich, dass man weiter Fußball spielen könne, nachdem man öffentlich erklärt hat, schwul zu sein«. Und dabei sei das Outing gar nicht das Problem, meinte Chris Basiurski, Vorsitzender der Fanorganisation »Gay Football Supporters Network«: »Die Gefahr liegt in dem, was danach kommt.« Das Danach ist auch bei Jason Collins noch ungeklärt, einen neuen Verein hat der Spieler noch nicht.