Mieze aus der Kiste

Solange du nicht in der Kiste liegst – mach weiter! Was für in die Jahre gekommene Dauerbespaßer hedonistischer Jugendkulturen wie Sven Väth und DJ Hell gilt, ist für John Cale, den 20 Jahre älteren Haudegen hocherfreulichen Eigensinns, selbstverständlich. Auf seinem jüngsten Album »Shifty Adventures in Nookie Wood« schickt er seine Stimme tatsächlich durch die Stimmenmodulations-Software Autotune. Was sonst vor allem jüngere Musiker mit großer Freude tun.
John Cale, ehemals Mitglied von The Velvet Un­derground, ist nicht nur stolz auf seinen legen­dä­ren Zerstörungswillen, der sich in waghalsigen Verzerrungen ungezählter Songs »bis zur völligen Absurdität« ausdrückt. Arbeitet er deshalb heute mit Autotune, dem Miezekätzchen unter den Effekten? Oder zusammen mit Danger Mouse, diesem mittlerweile supergediegenen Produzenten knackiger Großraumdisco-Sounds? Man weiß es nicht.
Und es ist auch egal, solange das Ergebnis überzeugt. Cale spielt ihn abermals, seinen erstaunlich unvergleichlichen Anti-Soul im Gewand bisweilen interessant bollernden, zugleich scharf konturierten Kunst-Waves. Zentriert sind die Songs, na klar, um seine großartige Stimme. Die Texte handeln von im ungesunden Selbst gefangenen, tendenziell klaustrophobischen Figuren. Aufgerieben, ängstlich, sehnsüchtig, leicht aggressiv: Cales Stimme fängt das ­innere Drama dieser Figuren perfekt ein. Möge der 1942 in Wales geborene Bratschist und Keyboarder 100 Jahre alt werden – und 30 weitere Alben aufnehmen.

John Cale: Shifty Adventures in Nookie Wood
(Domino/Goodtogo)