Krasse Sache, Alter

Berlin Beatet Bestes. Folge 120. Edd Byrnes: Like I Love You (1959).

Hipster sind inzwischen ähnlich oft im Stadtbild zu sehen wie Punks, Hippies und Beatniks in früheren Jahrzehnten. Hipster tragen große Brillen, Hüte, Tücher und sehr enge Hosen. Der männliche Hipster trägt dazu einen Vollbart, ist aber idealerweise ein fast magersüchtiger, affektierter Jüngling. Im Gegensatz zu vorangegangenen Jugendsubkulturen fehlt ihm aber ein einheitlicher Stil. Über dieses Patchwork aus vergangenen Styles hat sich das Vice-Magazin immer lustig gemacht, ich vermute allerdings, dass dessen Mitarbeiter genauso aussehen wie ty­pische Hipster. Aber ehrlich gesagt will ich gar nicht so tun, als hätte ich den Hauch einer Ahnung. Ich verstehe diese Jugend schon längst nicht mehr. Ich bin zu alt. Wofür die sogenannten Hipster genau stehen, weiß ich nicht. Was für eine Musik sie hören: keine Ahnung. Ich habe schon ein Problem damit, diese Typen überhaupt Hipster zu nennen. Hipster nannten sich schließlich Jazzfans bereits in den dreißiger Jahren! Echte Hipster waren schwarz und hatten ihre eigene coole Sprache, einen ­eigenen Slang.
Mezz Mezzrows 1946 erschienenes Buch »Really The Blues« etwa ist fast durchgehend im Jive Talk geschrieben. Bereits in den späten zehner Jahren fing der junge weiße Mezzrow, der sich fanatisch für Jazz und Blues begeisterte, an, sich den Jargon der afroamerikanischen Hipster anzueignen. In den dreißiger und vierziger Jahren wurde Cab Calloway mit seinen riesigen Anzügen, den Zoot-Suits, seinen Hüten und Schüsselketten, der stilbildenste Typ seiner Zeit und Vorbild aller Hep Cats, die Lindy Hop tanzten und Swing hörten. Calloways 1976 erschienene Autobiographie enthält ein Glossar mit den wichtigsten Jive-Talk-Begriffen. Bereits in den späten fünfziger Jahren war der Jive Talk bei den weißen Hipster, Jazzfans und Beatniks so weit verbreitet, dass auch der Mainstream davon Kenntnis nahm. Bärtige Beatniks mit Baskenmützen, die barfuß in Sandalen auf Bongos trommelten, wurden zu Karikaturen, die in jedem amerikanischen Film aufkreuzten. Aus den Beatniks entwickelten sich später die Hippies. Hippie wird übrigens auch von hip abgeleitet. Jugendliche wollten sich also wohl schon immer mit einer eigenen Kleidung und Sprache von der Welt der Erwachsenen abheben. Krasse Sache, Alter.
Als die US-Krimiserie »77 Sunset Strip« 1958 in ihrer Pilotsendung als Nebendarsteller einen sich ununterbrochen die Haare kämmenden und im kodierten Jive Talk sprechenden Parkplatzwächter namens »Kookie« einführte, wurde der umgehend zum Publikumsliebling der Teenager. Kookie nannte jeden »Dad« und sprach immer Jive, egal ob er verstanden wurde oder nicht. Aufgrund von Kookies Erfolg nahm Edd Byrnes sogar eine ganze LP mit sehr lustigen und rockenden Titeln auf, die angefüllt sind mit Hipsterslang. »Like I Love You« etwa ist ein »gerapptes« Telefongespräch mit einem Mädchen, das Cookie offensichtlich leider überhaupt nicht versteht.