Jenseits von Deutschpop

Berlin Beatet Bestes. Folge 52. Dynamic 6+1: »Moyambé« (1969)

Während der WM in Südafrika bietet es sich an, auch mal über afrikanische Musik zu schreiben. Obwohl es in den vergangenen zehn Jahren eine wahre Flut von Wieder­veröffent­lichungen afrikanischer Pop- und Rockmusik aus den sechziger und siebziger Jahren gegeben hat, verstehe ich wenig davon. Der sehr zu empfehlende Blog »Voodoo Funk« des mittlerweile in New York lebenden DJ und Plattensammlers Frank Gossner bietet einen guten Einstieg in die afrikanische Soul- und Funkplattengeschichte. Frank berichtet dort auch immer wieder über seine Reisen nach Afrika und seine Erlebnisse bei der Suche nach Schallplatten. Anfang dieses Jahres hat er eine erste Compilation (»Lagos Disco Inferno«) zusammengestellt, die als Doppel-LP und CD auf Academy Records erschienen ist. Drei weitere Alben sind in Vorbereitung.
Der Einfluss afrikanischer Musik auf die deutsche Popmusik ist leider nie sehr groß gewesen. Dennoch hat es die liberianische Band Dynamic Club im Frühjahr 1969 erstmals geschafft, nach Hamburg zu kommen. Die seit Anfang der sechziger Jahre bestehende Gruppe war damals in ihrer Heimat bereits sehr bekannt und suchte nach neuen Auftrittsmöglichkeiten. Dazu bot die Hamburger Musikszene rund um St. Pauli viele Gelegenheiten. Innerhalb weniger Monate nahmen sie, unterstützt von Produzent Peter Baierle sowie Herbert Hildebrand und Achim Reichel von den Rattles, eine Single und eine LP auf dem kleinen Label Elite Spezial auf. »Babalazi« ist ein beatiger Song mit traditioneller Färbung und afrikanischem und englischem Text, während »Moyambé« noch traditionell afrikanisch klingt. Als ich die Single vor etwa 15 Jahren auf einem Flohmarkt kaufte, war mir die Verbindung dieser afrikanischen Band mit dem eher biederen Elite-Label rätselhaft. Bis heute ist mir keine weitere afrikanische Band mit einer deutschen Veröffentlichung in den sechziger Jahren bekannt. Es muss den Schallplattenkäufern der damaligen Zeit ähnlich gegangen sein, sie konnten wohl nichts damit anfangen, die Platte floppte. Kurze Zeit später änderte die Gruppe ihren Namen in Soulful Dynamics und kam 1970 mit dem von Hildebrand geschriebenen Titel »Mademoiselle Ninette« mit Anhieb auf Platz 1 der deutschen Charts, wo er sich beachtliche 30 Wochen lang hielt. Die Soulful Dynamics hatten noch zahlreiche Hits und spielten mit ihrer Mischung aus Folklore und Stimmungsmusik bis 1977 zusammen.
Liberia zählt heute zu einem der ärmsten Länder der Welt. 85 Prozent der knapp vier Millionen Liberianer leben von weniger als 1,25 Dollar pro Tag. Nach mehr als zehn Jahren Bürgerkrieg fanden im November 2005 Wahlen statt, die Ellen Johnson Sirleaf gewann. Sie ist die erste Frau, die durch eine Wahl das Amt eines Staatsoberhauptes in Afrika erlangt hat. Andy Andersen, der Gitarrist der Soulful Dynamics, betreibt heute eine Naturheilpraxis in Pahlen in Schleswig-Holstein, leitet einen 30köpfigen Gospelchor und tritt immer noch gelegentlich mit den alten Hits der Soulful Dynamics auf.