Gespräch über Ulmen.tv, Alexander von Eich und den Kiffer Maurice

»Ich möchte das nicht erklären müssen«

Als Entertainer namens Knut Hansen tourte Christian Ulmen durch Bayern, als reaktionärer Adliger ­Alexander von Eich wollte er einer Hartz-IV-Familie Arbeit und Stil vermitteln, und als Computerfreak Uwe Wöllner suchte er vergeblich einen Job und eine Freundin. Immer war ein ­Kamerateam dabei, alle drei Figuren wurden nicht eingeweihten Personen als Akteure einer Doku-Soap vorgestellt. Außer­dem gab Ulmen den Extrem-Kiffer Maurice Horstmann, der angeblich für eine TV-Show Interviews mit Experten führte.

Sie sind ein begeisterter Fernsehzuschauer und Fernsehmacher. Aber die kurzen Filme, die jetzt gesammelt auf DVD erscheinen, haben Sie zunächst nur für Ihre Internetseite Ulmen.tv produziert. Warum?
Wenn man beim Fernsehen arbeitet, gerät man immer wieder in Situationen, in denen man einem Redakteur erklären muss, was jetzt aus welchen Gründen lustig ist – und diese Diskussionen sind manchmal anstrengend. Ich mag Witz, der ein bisschen weh tut. Redakteure fürch­ten oft, dass Experimente bei den Zuschauern so starke Schmerzen verursachen, dass sie nicht mehr einschalten. Deshalb ist der Kompromiss häufig der, dass es harmloser zugeht. Durch meine eigene Internet-Präsenz habe ich die Freiheit, solche Debatten nicht führen zu müssen.
Können Sie ein Beispiel für eine solche ­Diskussion geben?
Die Ulmen.tv-Figur des völlig zu Recht erfolglosen Alleinunterhalters Knut Hansen hatte ich bereits vor ein paar Jahren für eine MTV-Sendung entwickelt, damals hieß die Figur noch Manni Petersen. Da rief mich der Programmdirektor nach der ersten Ausstrahlung an und sagte: »Was ist denn das für’n komischer Vogel? Der macht ja lauter schlechte Scherze.« Und ich sagte: »Ja, genau das ist ja der Witz.« Da meinte er: »Nee, mach’ doch lieber ’ne Figur, die richtig gute Gags erzählt.«
Irgendwann habe ich bemerkt, dass meine Sachen extrem gut bei Youtube liefen. Also ging ich gleich ins Netz zu denen, die sich meine Sachen ohnehin angucken.
Sie haben jeweils eine Woche lang an verschiedenen Orten in der Öffentlichkeit eine Rolle gespielt und auch gegenüber Ihrem Team nie die Rolle verlassen. Wie haben Sie sich auf diese Experimente vorbereitet? Allein im stillen Kämmerlein?
Ich arbeite gern im Team, und ich meine auch, dass auf dem Teamwork-Prinzip der Erfolg der vielen hervorragenden amerikanischen Serien basiert. Bei der Sitcom »Friends« zum Beispiel saßen 15 Autoren bei der Live-Aufzeichnung mit im Publikum. Wenn die Zuschauer nicht gelacht haben, wurde die Aufzeichnung unterbrochen, und die Autoren hatten eine Minute Zeit, sich einen neuen Gag einfallen zu lassen.
Die Möglichkeit zur Unterbrechung hatten Sie allerdings nicht, da Sie sonst aufgeflogen wären.
Klar muss ich die Figuren letztlich alleine spielen, aber mit zwei Autoren können wir sie im Vorfeld ausreichend komplex gestalten. Das hilft später ungemein.
Welche Reaktionen auf Ihre Figuren haben Sie bei den Dreharbeiten besonders überrascht?
Mich hat überrascht, wie wenige negative Reaktionen der schreckliche Alexander von Eich bekommen hat, wie wenige Leute ihm Paroli geboten haben. Es ist erstaunlich, dass es wirklich reicht, vor Menschen zu treten und so zu tun, als sei man adlig, und ein bisschen mit erhobenem Haupte dazustehen – und schon bekommst du Respekt. Du kannst rassistisch werden, menschenverachtende Dinge tun und sagen. Viele Leute registrieren das und reagieren mit großen Augen, aber niemand sagt: »Halt doch mal dein Maul! Was redest du eigentlich für eine Scheiße, du bescheuerter adliger Idiot?«
Wie war das bei den anderen Figuren?
Das genaue Gegenteil waren die Reaktionen auf den Kiffer Maurice. Der bekam permanent verbal aufs Maul. Der wurde angegangen, obwohl der nie etwas Schlimmes gesagt hat. Natürlich nervt der total, aber er ist der Gutherzigste von allen. Die Leute lehnten ihn unbarmherzig ab, wenn sie ihn nur sahen. Alexander von Eich dagegen, das tatsächliche Arschloch, wurde ­erstmal hofiert. Mich hat jedes Mal wieder erstaunt, wie weit der gehen durfte, wie oft der »Neger« sagen durfte – ohne dass etwas passiert ist.
Einmal gab es für Alexander von Eich aber auch Contra. Und zwar von Evrim Baba von der Partei »Die Linke«. Baba brach ein Interview ab, als von Eich unter anderem in einem rassistischen Wortschwall behauptete, ausländische Rütli-Schüler würden ihn regelmäßig mit Ninjasternen bewerfen. Anschließend stellte ein Besucher der rechten Internetseite »Politically Incorrect« den Clip dort auf die Website und lobte in einem Kommentar die Ausführungen von Eichs. Das nennt man wohl Applaus von der falschen Seite.
Absolut. Das Problem konnten wir aber schnell lösen. Wir haben mit Hinweis auf die Urheberrechte dafür gesorgt, dass der Clip von der »Politically Incorrect«-Seite verschwindet. Außerdem hat Alexander von Eich auf Ulmen.tv in seinem Blog einen Text zu dem Vorfall geschrieben. Aus dem geht ziemlich deutlich hervor, was er von der Seite hält. Unter anderem nannte er die Betreiber »erbärmliche Stinkmaden«. Ich finde, wir haben angemessen reagiert.
Haben Sie für Ihre Arbeit Konsequenzen aus diesem Missverständnis gezogen?
Nein. Weil ich nichts schlimmer finde als eine Satire, die mit dem erhobenen Zeigefinger daherkommt, muss ich damit leben, dass irgendwelche fehlgeleiteten Vollhirnis wirklich glauben, von Eich meint das ernst, was er sagt, und sich dadurch in ihrer Weltsicht bestätigt fühlen. Aber Typen, die sich ein Comedyformat angucken und sich ihre Meinung von einer Comedyfigur bestätigen lassen, ist eh nicht mehr zu helfen. Was soll ich denn da machen? Was mich aber fast noch mehr erschreckt hat als dieser Vorfall, war eine Presseerklärung der Aktion »Laut gegen Nazis«, in der ich kritisiert wurde.
Worum ging es dabei?
Als ich bei »TV total« war, um Ulmen.tv vor­zustellen, brachte ich einen Clip mit, in dem Knut Hansen im bayerischen Ort Chamerau ­einen Bürgermeister mit extrem rechten Ansichten trifft. Unter anderem erzählt der Bürgermeister, dass die Gemeinde lieber die Miete für leer stehende Wohnungen zahlt, als dort Ausländer einziehen zu lassen. »Laut gegen Nazis« mein­te nun, es wäre ein Skandal, das im Fernsehen zu senden, ohne diese Äußerungen kritisierend zu kommentieren. Man wollte, dass ich mich nach dem Clip hinstelle und sage: »Meine Damen und Herren, dieser Bürgermeister sagt schlimme Sachen.« Man kapiert doch, dass sich der Humor erst daraus entwickelt, dass der Bürgermeister so einen Mist erzählt. Ich möchte das nicht erklären müssen. Die Leute, die den Bürgermeister gut finden, werden ihre Haltung eh nicht ändern. Aber für »Laut gegen Nazis« ist der Clip doch eigentlich Gold wert. Er ist ein Dokument, das belegt, wie wichtig ihr Verein ist. Er zeigt, dass Menschen mit rechtsradikalen Positionen sogar Bürgermeister werden können. Der aus Chamerau hat bei der Wahl damals 95 Prozent der Stimmen erhalten! Das Wissen um existierenden Rassismus motiviert Leute noch mal zusätzlich, weiterhin Acht zu geben. Ich glaube aber nicht, dass man mit Satire bekehren kann.
Verbinden Sie mit Ihrer humoristischen ­Arbeit irgendeine Art von Auftrag?
Beim Betrachten der Clips bekommt man den Eindruck. Da liefert sich Uwe Wöllner mit einem anderen Kandidaten ein Duell um einen Praktikumsplatz in einer Waschstraße und in ­einer Fleischfabrik. Derselbe Uwe wird zu diversen Lebensberatern geschickt, die ihn zu einem reibungslos funktionierenden Gesellschaftsmitglied formen wollen, der Tochter der Hartz IV-Familie wird empfohlen, als GoGo-Girl zu arbeiten. Das ist alles sehr unterhaltsame Gesellschaftskritik. Ich freue mich, wenn Kritiker sagen, das alles wäre auch gesellschaftskritisch. Aber das würde ich nicht als meinen Auftrag ansehen. Der Auftrag ist: Es soll Spaß machen. Ich weiß, das ist wahnsinnig platt, und ich überlege, ob ich mir nicht irgendetwas Schlaues zurechtlegen sollte, so dass ich auf eine Frage wie Ihre sagen könnte: »Ja, ich will ein Gesellschaftsspiegel sein.« Aber das wäre konstruiert. Ehrlicherweise ist es so, dass ich mir mit meinem kleinen Team überlege, worüber wir lachen wollen. Einfach mal gucken, was passiert, wenn wir mit einer schrägen Figur rausgehen. Wenn wir Glück haben, entsteht dabei tatsächlich so etwas wie Gesellschaftssatire. Aber das ist nichts, worauf ich es anlege, das ist ein Neben­produkt.
Dafür, dass diese gesellschaftssatirischen Clips Nebenprodukte sind, gibt es bei Ihnen ganz schön viele davon.
Natürlich macht es mir Spaß, wenn da etwas mehr mitschwingt. Aber ich sehe mich nicht als Gesellschaftskritiker, der Komik wählt, um den Menschen einen Spiegel vorzuhalten oder gar das System zu kritisieren. Das bringt mein Humorgeschmack vielleicht manchmal automatisch mit sich, aber meine Intention ist viel schlichter: »Ich möchte einfach nur total abgefahrene Sachen drehen« – wie Uwe Wöllner sagen würde.

Die DVD »Best of Ulmen.TV« erscheint am 15. Mai.
Internet: www.ulmen.tv