Tel Avivo

Grenzerfahrungen
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Wer keine Lust mehr auf das Kopfschmerzen erzeugende Goldstar- und das fade Maccabi-Bier hat und wer auch keinen Geschmack an dem in Tel Aviver und Jerusalemer Alternativ-Kneipen angebotenen, in Ramallah gebrauten Pali-Bier namens Taybeh findet, der sollte unbedingt in den Golan fahren. Dort, genauer in Qazrin, kann man, nach einigem Suchen, eine kleine Brauerei finden, die Golan Brewery, die dort in einem netten Lokal, und nur dort, vier ausgezeichnete Biersorten anbietet. Seit Dezember 2006 gibt es den Laden, derzeit wird eine Fabrik gebaut, damit das Bier künftig in ganz Israel ausgeschenkt werden kann.

Wenn man schon mal im wunderschönen Golan ist, kann man sich im Norden natürlich auch ein wenig umsehen. Das habe ich auch getan und dabei die eine oder andere Grenzerfahrung gemacht. Zum Beispiel im allerletzten Städtchen vor bzw. direkt an der syrischen Grenze, am Fuß des schneebedeckten Hermon, wo in einem Drusendorf auf dem zentralen Drusendenkmal eine syrische Fahne wehte. Während die Drusen rund um Haifa sehr loyal zum Staat Israel sind, ist das bei den Golaner Drusen nicht so sicher. Das liegt daran, dass sie, was wir für sie nicht hoffen wollen, womöglich eines Tages wieder zu Syrien gehören werden und sich dann ernsthaft Sorgen um ihr Leben machen müssten. Allerdings bereiten sie dort eine ausgezeichnete Pita, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Man kann aber aus Israel nicht nur nach Syrien hinüberwinken, sondern, wenn man Richtung Westen fährt, auch zum Libanon. Dort boten sich im doppelten Wortsinn Grenzerfahrungen. Damit meine ich nicht nur die Begegnung mit dem Wolfsrudel direkt vor der Stoßstange meines kleinen Daihatsu. Mehr erschreckt haben mich die Kühe, die plötzlich hinter einer Kurve auf der Straße standen. Damit wären auch schon sämtliche Lebewesen aufgezählt, die ich dort oben an der libanesischen Grenze antraf. Von der IDF, die auf die Grenze aufpassen sollte, war jedenfalls weit und breit nichts zu sehen. Nur auf der anderen Seite des Grenzzauns rollten gelegentlich Unifil-Wagen vorbei.

Ich fuhr also gen Westen, der Libanon und der Grenzstreifen waren rechts von mir. Dann mündete die Straße auf ein offenstehendes Tor, auf dem etwas auf Hebräisch geschrieben stand. Meine Begleiterin meinte, da stünde etwas von »verboten«, aber da das Tor offen war und es keinen anderen Weg gab, solle ich doch einfach weiterfahren. Das tat ich. Nun aber verlief der hohe Zaun mit seinem Stacheldraht nicht mehr nur rechts, sondern auch links von uns. Entlang des schmalen Wegs, auf dem wir fuhren, standen helle Scheinwerfer. Irgendwann war klar: Wir fahren nicht mehr entlang des Grenzstreifens, sondern mitten darauf. Ein Unifil-Fahrzeug auf dem Hang gegenüber verlangsamte seine Fahrt, und ich wette, die Soldaten staunten nicht schlecht, dass dort, wo sonst nur IDF-Jeeps patrouillieren, plötzlich ein kleiner Daihatsu Sirion entlanggondelte. Vielleicht fragten sie sich, weshalb die israelische Armee jetzt Zivilfahrzeuge einsetzt, womöglich informierten sie ihre Vorgesetzen, wer weiß, vielleicht stand die Welt kurz vor einer schweren diplomatischen Krise. Aber offenbar haben wir, also wir alle, noch mal Glück gehabt.

ivo bozic