Money makes the Ball go round

Die englische Premier League ist derzeit nicht nur die Liga mit den besten Spielern, sondern auch ziemlich aufregend – trotz und dank des großen Geldes. von christan helms

Selbstzweifel sind José Mourinho, dem Trainer des Chelsea Football Club, normalerweise so fremd wie dem Besitzer des Clubs, Roman Abramowitsch, das Gefühl, zum Monatsende verstärkt auf seine Ausgaben achten zu müssen. »Vielleicht bin ich doch kein so guter Manager. Vielleicht sind die Spieler auch nicht so gute Spieler«, grübelte der portugiesische Fußballlehrer zuletzt öffentlich. Das ambitionierte Projekt »Geld schießt eben doch Tore« stößt nach dreieinhalb Jahren an eine Grenze.

Die Geschichte vom russischen Öl-Milliardär, der einen abgewirtschafteten Traditionsverein unter gewaltigem Kapitaleinsatz zu einem erfolgreichen Verein formte, wurde mittlerweile oft genug erzählt und stellt außerdem im internationalen Fußball längst nicht mehr die große Ausnahme dar. »Was mich wirk­lich enttäuscht, ist, wenn Chelsea verliert. Das halte ich nicht aus«, verkündete der Mäzen einmal seine Sicht auf den Sport – und griff tief in die Tasche, um sich fortan vor Schmerz zu bewahren. Seit Mourinho im Sommer 2004 bei dem Club anheuerte, dominierten die »Blues« die nationale Konkurrenz beinahe nach Belieben.

Otto Rehhagels romantische Behauptung, das Zahlungsmittel tauge nicht als Torjäger, wurde in London systematisch widerlegt. Zumindest der Premier League schien das Starensemble des José Mourinho schnell zu entwachsen. Nach zwei gähnend langweiligen Meisterschaften musste der englische Fußballfan sich allmählich an den Gedanken gewöhnen, dass, sofern Roman Abramowitsch nicht urplötzlich das Interesse an seinem neuen Hobby wieder verlöre, der »Chelski FC« über 38 Spieltage künftig nicht mehr zu bezwingen sei. Im Januar 2007 scheinen derlei Befürchtungen jedoch wieder zerstreut.

Die Londoner rangieren nach 22 Spieltagen sechs Zähler hinter Spitzenreiter Manchester United, der Kampf um den englischen Titel ist offen wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr. Natürlich käme niemand auf die Idee, Manchester United als einen Außenseiter hinzustellen, verfügen doch auch die Red Devils über finanzielle Mittel, die Uli Hoeneß trotz allen Prahlens über die berühmte Festgeld­abteilung seines FC Bayern den Speichel im Mund zusammenlaufen ließen. Die Summen, die momen­tan im Zusammenhang mit einem möglichen Trans­fer von Owen Hargreaves nach Manchester genannt werden, sprechen für sich.

Entscheidend ist vielmehr die tröstliche Einsicht, dass sich sportlicher Erfolg eben tatsächlich nur zu einem gewissen Grad erkaufen lässt – zumindest wenn man nicht riskieren möchte, dass eines Tages die Staatsanwaltschaft vor der Tür steht. Es ist letzt­lich unerheblich, wie hoch die Summen sind, die Roman Abramowitsch auf dem internationalen Transfermarkt bewegt. Es gibt nach wie vor einige Faktoren im Sport, die sich dem Einfluss des Kapitals entziehen.

Drei Ligaspiele in Folge ist der FC Chelsea nun ohne Sieg. Etwas, das die Blues unter der Leitung von José Mourinho noch nie erlebt haben. »Das ist keine Krise«, relativierte zwar Mittelfeldspieler Frank Lampard, »doch es ist etwas, mit dem wir uns jetzt beschäftigen müssen. Wir sind es halt nicht gewohnt, unentschieden zu spielen.« In der Geschäftsstelle an der Stamford Bridge forscht man nach den Ursachen.

»Jeder weiß, dass Chelsea derzeit nicht verteidigen kann. Mir fehlen der beste Tormann der Welt und der beste Innenverteidiger der Welt«, nennt Mourinho gleich den ersten Punkt. »Wir können das nicht kompensieren.« Stammtorwart Petr Cech zog sich bereits im Oktober eine Schädelfraktur zu, auch der Ersatzmann Cudicini fiel anschließend aus, und der Verlust des englischen Nationalverteidigers John Terry hinterließ zuletzt eine Lücke, die nicht geschlossen werden konnte. Kein Scheckbuch der Welt schützt vor Verletzungen.

50 Millionen Euro für Andrej Schewtschenko, 31 für Shaun Wright-Phillips, 13 für Khalid Boulah­rouz, 7,5 plus William Gallas für Ashley Cole – die Blues ließen sich ihre Personalpolitik auch im Jahr 2006 einiges kosten. Hinzu kam eine unbekannte Summe, die Feyenoord Rotterdam für den Wechsel des Nachwuchsstürmers Salomon Kalou entschädig­te, und auch Michael Ballack dürfte nicht zuletzt wegen eines beträchtlichen Handgeldes der Abschied aus München mäßig schwer gefallen sein. Doch sämt­liche Neuzugänge blieben bislang hinter den hohen Erwartungen zurück.

Die Sun beispielsweise polemisiert besonders ausdauernd gegen den Kapitän der deutschen Nationalelf: »Ballack scheint immer im Weg zu stehen. Langsam wird klar, warum er keine Ablöse gekostet hat.« Der Daily Telegraph diagnostizierte ähnlich vernichtend: »Wenn er ins Spiel eingreift, dann negativ.«

Dabei schien José Mourinho vor Beginn der Spielzeit zuversichtlicher denn je zuvor. »Wir haben in der vergangenen Saison vor allem in der Champions League nicht genügend Tore geschossen. Das wird sich durch die Ankunft von Ballack und Schewtschenko ändern.« Eine krasse Fehleinschätzung, denn auch der Ukrai­ner, der in der Serie A sieben Jahre lang für den AC Mailand viele Tore erzielt hatte, kommt in London noch nicht zurecht und bewegt sich mittlerweile statt im gegnerischen Strafraum meist zwischen Frust und Ersatzbank. »Ich fühle mich bei Chelsea wohl, aber leider passt Mourinho mein Stil nicht.« So einfach ist es manchmal im Fußball: Es klingt unglaublich gut, aber es passt einfach nicht. Auch dagegen kann kurzfristig kein Scheckbuch der Welt etwas ausrichten.

Außerdem spielt Englands »hottest Deal« derzeit bei der direkten Konkurrenz. Manchesters Cristiano Ronaldo ist mit seinen fast 22 Jahren endlich auf die Idee gekommen, dass sein Job aus mehr bestehen könnte als daraus, seine perfekt sitzenden Haare zur Schau zu stellen und sinnlose Übersteiger zu machen. Er glänzt nicht mehr nur durch seine überragende Ballbehandlung, sondern auch noch durch Effektivität. Mourinhos junger Landsmann macht so oft genug den Unterschied aus.

Auch hier darf die Scheckbuch-Konklusion natürlich nicht fehlen: Es ist in absehbarer Zeit nahezu ausgeschlossen, dass dieser junge Mann Manchester in Richtung London verlässt. Einige Spieler sind einfach nicht zu verpflichten. Auch Ronaldinho ist allein mit Geld nicht mehr aus Barcelona wegzulocken. Er fühlt sich wohl und hat Erfolg. »Mehr als ein Steak am Tag kann man nicht essen«, erklärte Uwe Seeler bereits vor über 40 Jahren, weshalb er dem äußerst lukrativen Angebot aus Mailand wider­stand. Gut, inzwischen reden wir über ganze Rinderherden, die den Spielern geboten werden – doch die Einsicht bleibt die gleiche.

Geld wird weiter Tore schießen. Vielleicht wird es in dieser Saison den englischen Titel gewinnen, womöglich sogar die Champions League. Vielleicht wird es demnächst auch irgendwo anders in Europa noch zu viel mehr Erfolg führen als in London. Wirtschaftliche Grenzen sind momentan kaum abzusehen; die beruhigende Gewissheit, dass es nie möglich sein wird, sich einen Titelgewinn zu »erkaufen«, wird indes die Faszination für das Spiel ungebrochen lassen. Ein Freistoß, den ein Abwehspieler in der Nachspielzeit eines Finalspiels ins eigene Netz abfälscht oder wenige Zentimeter neben das Tor, ist zum Glück nicht lenkbar.