Adolf Knollennase

Walter Moers zeichnet die letzten Tage von Adolf, der »Nazisau«, im »Bonker«. von eckart schörle

Nach langer Pause veröffentlicht Walter Moers mit »Der Bonker« den dritten Teil seiner erfolgreichen Hitler-Satire und knüpft damit an die beiden 1998 und 1999 publizierten Comic-Bände über »Adolf, die Nazisau« an.

Diesmal widmet sich der Zeichner und Schriftsteller den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Nach Bernd Eichingers Kassenschlager »Der Untergang« schildert Moers nun seine Vorstellung von den Ereignissen im Bunker: Der Krieg ist verloren, und die letzten Weggefährten versuchen, Adolf vom Unsinn des Weiterkämpfens zu überzeugen. Doch damit nicht genug. Mit Telefonscherzen (z.B. einem angeblichen Interview für den Playboy) und Verkleidungen (u.a. als »Blondi«) gelingt es Churchill immer wieder, Adolf zum Narren zu halten. Eva ist außerdem sauer, weil ihr Schatzi wieder zu spät zum Essen kommt, und verabredet sich mit Gandhi und Göring zum Gruppensex, später schauen noch der Tod und Gott im Bunker vorbei. Damit sind die Grundzüge der Handlung bereits grob umrissen.

Während die beiden ersten Bände über »Adolf, die Nazisau« vor allem auch von den einfachen, aber treffenden Zeichnungen profitierten, gibt Moers dieses Mittel im »Bonker« weitgehend aus der Hand und präsentiert nun Dialoge in Gestalt einer illustrierten Tragikomödie. Die Handlung wirkt dabei allerdings dürftig, und auch die Hauptfigur bleibt eher blass. Auf den provokanten Witz der ersten beiden Bände wartet man vergebens.

Schon früher hat Moers gegen die populäre Dämonisierung und die damit einhergehende Heroisierung Hitlers angearbeitet und ihm Züge eines normalen Psychopathen verliehen. So sucht Adolf nach dem Untergang seines Reichs regelmäßig den Rat des zwielichtigen Arztes Dr. Furunkel, weil er sich in der neuen Welt nicht zurechtfindet. Moers degradiert den kleinen Adolf zu einer Witzfigur, markiert aber zugleich auch dessen bedrohliche Potenziale – etwa wenn der Antisemitismus aus dem scheinbar geheilten Patienten wieder völlig unvermittelt herausbricht (»De Jodn! Chrr!«).

Während »Der Untergang« die letzten Tage im Führerbunker mit der Aura schick­salhafter Tragik umgibt und damit der Situation eine gewisse Größe verleiht, stellt Moers diese Tragödienformel bewusst in Frage. Die von ihm gezeichnete Figur eignet sich kaum als Identifikationsfigur, eine Heroisierung wird ebenso wenig erzeugt wie einfühlendes Mitleid.

Eichinger schreckte nicht davor zurück, Teile der Holocaust-Ikonografie umzudeuten – erinnert sei an die in Form eines Leichenbergs inszenierten deutschen Kriegsopfer. Kaum besser seine Darstellung der sowjetischen Befreier als betrunkene und unberechenbare »Wilde«, denen Hitlers Sekretärin nicht in die Augen sehen soll. Vergleichbare Geschmacklosigkeiten lassen sich bei Moers nicht entdecken.

Moers warnt vor Vereinfachungen und enttarnt den »Untergang« als problematische Inszenierung. Geschichte wird dort einfach den Bedürfnissen der Dramaturgie angepasst. So ist es nur konsequent, dass Moers am Ende des Buchs in einer Art ironischen Wendung Fingerfiguren zum Ausschneiden präsentiert, mit denen man die letzten Tage im Bunker nun sogar selbst nachspielen kann. (»Werden Sie der Gustaf Gründgens Ihrer Generation.«)

Moers gibt seine Geschichte, die er auf einer Theaterbühne situiert, klar als Fiktion zu erkennen und versucht nicht, den Anschein einer historischen Dokumentation zu erwecken. Auch fühlt er sich nicht in die Charaktere ein, sondern kehrt das Banale und »Menschliche« in deren Verhalten heraus. Damit gelingt es Moers, Hitlers Größenwahn die vermeintliche Größe zu nehmen.

Das ist freilich eine Darstellung, die in Deutschland immer noch Befremden auslöst. Bereits Alexander und Margarete Mitscherlich haben darauf hingewiesen, dass es den Deutschen schwer gefallen sei, sich von der geliebten Führerfigur zu verabschieden, und fassten dies in die Formel von der »Unfähigkeit zu trauern«. Nicht zufällig verzichtet »Der Untergang« darauf, den Akt des banalen Selbstmords des »Führers« in Szene zu setzen oder gar den Leichnam zu zeigen. Völlig zu Recht kratzt Moers deshalb an dem so verbreiteten Gefühl, man müsse der historischen Figur Hitler doch ein gewisses Maß an Respekt entgegenbringen.

Walter Moers: Adolf. Der Bonker. Piper, München 2006, 80 Seiten, 14,90 Euro