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Was sind wir?

Identitätssuche. Die Engländer haben ein Problem, sie wissen nicht, wer sie sind. Sie und wir alle haben eine Ahnung davon, was typisch britisch ist, das schon. Fish & Chips, warmes Bier, Weihnachtspudding, Polizisten mit komischen Hüten, das alles, so wissen wir, ist typisch britisch. Was aber, for heaven’s sake, ist nun typisch englisch?

Um das herauszufinden, hat das englische Kulturministerium mit »Icons Online« ein Internetprojekt gestartet, mit dessen Hilfe danach gefahndet werden soll, was Englands Identität ausmacht. Ein Jahr lang sollen in dem Portal Engländer Vorschläge einbringen, was ihrer Meinung nach typisch englische Ikonen sind, nach diversen Abstimmungen werden dann einige dieser Einreichungen zu »offiziellen Ikonen« erklärt.

Die ersten zwölf Ikonen wurden vom Ministerium selbst vorgeschlagen, darunter Alice im Wunderland, das Jagdflugzeug Spitfire, Stonehenge und natürlich die berühmte cup of tea. Diese Ikonen wurden von den Engländern weitgehend widerspruchslos akzeptiert. Etwas mehr Probleme hatten sie da schon etwa mit einem Gemälde von König Heinrich dem VIII. von Hans Holbein. Der Maler sei schließlich Deutscher und König Heinrich zu guten Teilen Waliser gewesen, typisch Englisches sehe also wohl etwas anders aus.

Inzwischen sind die Engländer dabei, fleißig selbst ihre Vorschläge einzubringen. Darunter die James-Bond-Filme, die Dramen Shakespeares, den Pub, die Klippen von Dover, den Austin Mini – und das Wetterkartensymbol für leichte Regenschauer.

Die Identitätssuche der Engländer verspricht also, noch ziemlich lustig zu werden. Gut, dass wir in Deutschland nicht mehr nach uns selbst suchen müssen. Was typisch deutsch ist, das wissen wir längst, und zwar besser, als uns eigentlich lieb ist. (aha)

All that Jazz

»Jazzbuch«. Schon erstaunlich, aber das erfolgreichste und populärste Standardwerk über den Jazz stammt ausgerechnet von dem hierzulande eher umstrittenen deutschen Jazz-Experten Joachim Ernst Berendt. Sein »Jazzbuch« wurde von ihm selbst immer wieder aktualisiert und seit den Fünfzigern in immer wieder neuen Auflagen von ihm herausgegeben. Im Jahr 2000 ist er verstorben, weswegen Günther Huesmann, der an früheren Bearbeitungen des »Jazzbuchs« bereits beteiligt war, nun Berendts Vermächtnis ganz alleine aufgefrischt hat. Das eben erschienene Jazz-Kompendium ist inzwischen auf knapp 1 000 Seiten angewachsen und bleibt das Buch schlechthin, um sich umfassend über alle Aspekte rund um den Jazz, und zwar bis in die Gegenwart, zu informieren. (aha)

Lieber konventionell

James Bond. Eigentlich ist das ein handfester Skandal: Quentin ­Tarantino hätte gerne die Regie für den nächsten James-Bond-Film übernommen, aber man gab ihm den Job nicht. Behauptet Tarantino. Selbst die Harry-Potter-Filme werden von innovativen, immer wieder anderen Regisseuren betreut, um die Serie nicht zu eindimensional zu gestalten. Da hätte man bei James Bond ruhig auch einmal etwas wagen können. Zumal mit Tarantino ja kein Regisseur zur Verfügung stehen würde, der einen künstlerisch wertvollen, dafür aber an den Kinokassen floppenden James-Bond-Film drehen würde. Er versteht sich vielmehr meisterhaft darauf, Kommerz und Kunst zu verbinden.

Die letzten James-Bond-Filme dagegen waren nur noch erfolgreich, aber alles andere als aufregend. Sie schafften es eben nicht, den Mythen ihrer Hauptfigur gerecht zu werden und mit diesen auf in­teressante Weise zu spielen. Man kann sich sicher sein: Tarantino würde es schaffen. (aha)

Gibt es jüdische Antisemiten?

Antisemitismusstreit. Dass sich Sportler zuweilen unsportlich verhalten, dass ein Deutscher Antideutscher sein kann, dass ein Rechter jemanden linkt oder ein Linker Recht hat, all das ist völlig logisch. Aber kann ein Jude Antisemit sein? Oder besser gesagt: Darf ein Jude einen anderen als Antisemiten bezeichnen? Das ist die Frage, die das Frankfurter Landgericht derzeit klären muss. Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen dem jüdischen Journalisten Henryk M. Broder und dem jüdischen Verleger Abi Melzer.

Broder hatte im Weblog achgut.de Melzer und seinen Autor Hajo Meyer als »Kapazitäten für angewandte Judäophobie« bezeichnet und schrieb, sie würden jede Marktlücke mit »braunem Dreck« füllen. Dagegen hatte Melzer eine einstweilige Verfügung erwirkt, um deren Aufhebung sich Broder nun bemüht.

Der Streit zwischen den beiden Publizisten ist allerdings älter als diese juristische Auseinandersetzung. In den achtziger Jahren war Broder Mitarbeiter der Zeitschrift Semit, die von Melzers Verlag herausgegeben wurde. Doch spätestens nachdem Melzer sich 2002 hinter die antisemitischen Äußerungen Jürgen Möllemanns gestellt hatte, war das Tischtuch zerschnitten. Nun begegneten die beiden sich also vor Gericht wieder und trafen auf einen überforderten Richter, der die Bedeutung des Begriffs »Judäophobie« erst nachschlagen musste. Am 27. Januar will er sein Urteil darüber fällen, ob, wie Broder sagt, »Juden alles sein können, was Nichtjuden auch sind« – zum Beispiel Antisemiten. (ib)