Robert Hoyzer, Fußballgott!

Ist das Glück käuflich? Werden die Kleinen immer beschissen? Ist die kroatische Mafia wirklich so schlimm? Und was hat Helmut Kohl mit alledem zu tun? Autorinnen und Autoren der Jungle World geben Antworten

Rettet das Glück!

Die Ehrlichkeit hat einen schlechten Ruf in der Linken. Die Forderung nach Ehrlichkeit gilt bestenfalls als naiv, meist aber als Ruf eines autoritären Charakters nach der authentischen Volksgemeinschaft. Beim so genannten Schiedsrichterskandal geht es jedoch nicht einfach nur um Korruption. Der Skandal ist eine Bedrohung für das Glücksspiel, den einzigen Geschäftsbereich im Kapitalismus, in dem Freiheit, Gleichheit und das Streben nach Glück noch eine Bedeutung haben. Vor dem Roulettetisch und dem Wettschalter sind alle gleich. Wenn die Kugel rollt und der Jockey sein Pferd antreibt, kommt es nur noch auf das Glück an.

Das Glücksspiel war bis zur bürgerlichen Revolution ein Privileg des Adels. Es ist deshalb kein Zufall, dass es gerade in Deutschland strengen Beschränkungen unterliegt. Denn der Gedanke, dass man nicht durch Leistung und Bildung, sondern durch Glück zu Geld kommt, ist dem autoritären Charakter unerträglich. Jede Bedrohung des Glücksspiels in Deutschland kann deshalb nur der Reaktion nutzen.

Natürlich muss man wissen: Am Ende gewinnt immer die Bank. Deshalb heißt es ja auch: Glücksversprechen des Kapitalismus. Dennoch sind die Chancen, es am Spieltisch zu Geld zu bringen, allemal größer als die Erfolgsaussichten der Lohnarbeit oder einer Ich-AG. Soll nun einer der letzten Orte, an denen ein Tellerwäscher noch zum Millionär werden kann, so wie der Bundestag oder die Börse zum Tummelplatz für Wirtschaftsweise werden, die Insidergeschäfte machen? Um das zu verhindern, muss das Geschäft den unfähigen kroatischen Kleinkriminellen entzogen werden. Es sollte sich endlich eine Organisation der Sache annehmen, die das Glücksspiel jahrzehntelang effizient verwaltet hat. Don Corleone, übernehmen Sie!

jörn schulz

Nie Deutscher Meister

Als Fan des FC St. Pauli ist man es gewohnt zu leiden. Und schon immer wusste der FC-Anhänger, dass die Großen bevorzugt und die Kleinen aus der Liga gepfiffen werden. Was soll also jetzt das Gerede von dem sauberen Sport, der durch den ehemaligen Schiri Robert Hoyzer in Mitleidenschaft gezogen worden sei? Denn »Pauli« wird seit jeher benachteiligt, nicht nur in der laufenden Spielzeit.

Nehmen wir die Bundesligasaison 2001/2002. Da war zum Beispiel der Elfmeter im Heimspiel gegen Werder Bremen. Der Schiedsrichter hieß Hermann Albrecht (Kicker-Note 4,5). Er »hätte Helds unbeabsichtigtes Handspiel nicht mit Elfmeter bestrafen dürfen, zumal der vermeintliche Tatort außerhalb des Strafraums lag«, schrieb der Kicker. Im Auswärtsspiel gegen Borussia Dortmund mimte Lutz Michael Fröhlich den Schiedsrichter (Kicker-Note 3), der beim Stand von 1:0 für St. Pauli einen eindeutigen Foulelfmeter an Nico Patschinski nicht gab. Das Spiel wäre entschieden gewesen, endete aber unentschieden. Dann hätten wir noch die Partie in Hamburg gegen 1860 München. Schiedsrichter: Michael Weiner (Kicker-Note 4,5). Er verweigerte St. Pauli zu Unrecht einen Elfmeter (Harald Cerny an Marcao). »Auch ansonsten mit ungewohnten Schwächen«, stellte der Kicker fest. Und, und, und …

Da war es fast ausgleichende Gerechtigkeit, dass Schiedsrichter Jürgen Jansen (Kicker-Note 6) beim Stand von 2:1 für Bayer Leverkusen in der 93. Minute einen völlig unberechtigten Elfmeter für St. Pauli gab. Thomas Meggle verwandelte ihn. »Nie Deutscher Meister, ihr werdet nie Deutscher Meister«, sangen die Fans des St. Pauli nach dem Spiel. Und bekanntlich kam es auch so. Leverkusen wurde mal wieder nur Zweiter, mit einem Punkt Rückstand auf Borussia Dortmund. Nun wird Jürgen Jansen von Robert Hoyzer belastet, was den arbeitslosen Trainer Klaus Toppmöller veranlasst, seine Rehabilitierung zu fordern. »Unser Spieler hat den Ball ins Gesicht bekommen. Schiedsrichter Jansen stand fünf Meter daneben und entschied auf Handelfmeter«, sagt Toppmöller. In der darauf folgenden Saison wurde Toppmöller von Rainer Calmund entlassen. Heute moderiert Calmund TV-Shows. Was wäre uns erspart geblieben, wenn Leverkusen damals Meister geworden wäre?

falko ringel

Drei Jungs vom Grill

Bisher kannte man den gemeinen Kroaten wegen seiner überaus guten Beziehungen zu Deutschland, seiner Vorlieben zu großen Fleischplatten und selbst gebranntem Schnaps sowie seinem Hang zu sezessionistischen Kriegen. Im Berliner Siedlungsraum ist der durchschnittliche Kroate vor allem im Bereich der Gastronomie für Rentner und Rudervereine zu finden. Er betreibt Restaurants mit Kegelbahn und Clubraum, die für gewöhnlich »Adria-Grill« heißen und in denen sich Sportmannschaften bei Schnitzel und Cevapcici treffen. Auch in ästhetischer Hinsicht passen kroatische Kaschemmen wie das Cafe King in die Berliner Eckkneipenlandschaft, teilt man doch hier wie da die Vorliebe für Plastik- und Gummipflanzen.

Eine ordentliche Mafia aber sieht anders aus als das Bild, das die Brüder Ante, Milan und Filip abgeben. Allen voran weist man sich dadurch als echter Mafiosi aus, indem man erklärt, es gebe gar keine Mafia. Die Kroaten allerdings sind so stolz, endlich ihren Charme als Kegelbahnbrater los zu sein, dass der Geschäftsführer des Café King noch bis zum Tag seiner Verhaftung deutschen und kroatischen Zeitungen fröhlich Interviews gab, anstatt seinen Porsche und die Wettscheine wegzuräumen.

nada kumrovec

Gehoyzert

Die Tätigkeit als Schiedsrichter hat mein Repertoire an Flüchen und Schimpfwörtern nicht unbeträchtlich erweitert und mich abgehärtet. Angefangen vom auch auf Dorfplätzen gern geschmetterten »O hängt sie auf, die schwarze Sau!« (stark aus der Mode gekommen, seit die Schiri-Trikots auch andere Farben tragen dürfen), über die weniger druckreifen Beschimpfungen (die in der Regel auf bestimmte Körperteile oder sexuelle Neigungen abstellen) bis hin zu Titulierungen wie »Du dummer Fuss« (Fuchs), einer rheinlandtypischen Bezeichnung für Menschen mit rötlichen Haaren.

Jetzt steht eine weitere Invektive vor dem Durchbruch, die auf den Hauptprotagonisten des Wettbetrugs zurückgeht und ein neues Synonym für Schiebung darstellt. Es gibt sie als Substantiv (»Du Hoyzer«) genauso wie als Verb (»Der Schiedsrichter hat das Spiel gehoyzert«). Nun stellen die Fußballregeln lediglich klar: »Ein Spieler muss des Feldes verwiesen werden, wenn er anstößige, beleidigende oder schmähende Äußerungen oder Gebärden gebraucht.« Dadurch eröffnet sich für die Unparteiischen ein gewisser individueller Spielraum bei der Frage, für welche Kränkung nur die rote Karte in Betracht kommt. Kein Grund also, das Regelwerk zu ergänzen, bloß weil ein paar ganz Schlaue von einem gleich auf alle schließen.

Das sieht man in der Schweiz allerdings ganz anders. Dort fliegt ab sofort jeder vom Platz, der den Referee nach einer umstrittenen Entscheidung als »Hoyzer« bezeichnet. »Wir sind angewiesen worden, diesbezüglich durchzugreifen«, erläutert der Schweizer Fifa-Schiri Guido Wildhaber diesen Schritt. Aber: »Es bekommt sicher nicht gleich jeder Spieler die rote Karte, der ›Toto‹ oder ›Lotto‹ ruft«, gibt der schweizerische Kollege Entwarnung. Das wäre ja auch noch schöner. »Oddset« sollte es nämlich schon sein. Wo kämen wir sonst hin?

alex feuerherdt

Kohl gewinnt

Warum sitzt Robert Hoyzer seit einigen Tagen in Untersuchungshaft, während Helmut Kohl weiter auf freiem Fuß ist? Weil die Gesellschaft der Korruption auch eine Klassengesellschaft ist. Hoyzer hat ausgepackt. Ein paar Spiele habe er manipuliert und dabei mehrere Zehntausend Euro kassiert. Er nannte die Namen seiner Auftraggeber, die Stätten seiner Taten und zeigte sich reumütig im Fernsehen. Nun sitzt er im Knast.

Nichts davon ist von Helmut Kohl bekannt. Er verschweigt die Namen der Parteispender und rühmt sich, dass er sein »Ehrenwort« auch einhalte. In seinem Umfeld geht es um Korruption in internationalem Maßstab, um Panzergeschäfte, Steuerhinterziehung, um Beträge in Milliardenhöhe. Und was geschieht? Nichts.

In Hoyzers Skandal gibt es bisher keine Badewannen und keine verunglückten Staatsanwälte. Er ist ein kleiner Fisch der internationalen Mafia. Wahrscheinlich kriegt er lebenslänglich. Wenn ihn der Mob nicht aus dem Gefängnis herausholt, um in an einer Laterne zu lynchen.

paul urban