Das Ziel erfasst

Die Bundesagentur für Arbeit ist ein wichtiges Instrument der sozialen Repression. Es ist richtig, gegen sie zu demonstrieren. von walter bauer

Das Ziel der Demonstration am 6. November in Nürnberg, die Bundesagentur für Arbeit (BA), ist für den Vorsitzenden von Verdi, Frank Bsirske, ein Grund, die Demonstration nicht zu unterstützen. Auch der Aufruf »Agenturschluss – Arbeitsagenturen und Personal Service Agenturen am 3. Januar lahmlegen« führte, vor allem in den Gewerkschaften, zu Diskussionen über die Rolle der Bundesagentur.

Die Demonstrationen seien gegen die Belegschaft gerichtet, hieß es, die Bundesagentur erfülle ja nur die ihr von der Politik aufgetragene Pflicht, und die Organisatoren der Demonstration spielten der FDP und der Union in die Hände. Wir vom Nürnberger Sozialforum hingegen sind der Auffassung, dass die Bundesagentur ihre Funktion verändert hat. Sie ist selbst Ziel des neoliberalen Umbaus durch Unternehmerverbände und Regierung, darüber kann die Belegschaft der Agentur einiges berichten. Und gleichzeitig ist sie auch ein wichtiges Instrument des Sozialabbaus und der sozialen Repression. Davon können die Erwerbslosen einiges erzählen.

Durch den radikalen Umbau ihrer Betriebsstruktur und die Konzentration auf ihre scheinbare Kernaufgabe macht die Bundesagentur sich fit für den »freien Markt« in Europa. Durch den Abbau und die Teilprivatisierung von Arbeitsplätzen und der Infrastruktur, durch die daraus resultierende Verschärfung der Ausbeutung an den verbliebenen Arbeitsplätzen wächst der Druck auf die MitarbeiterInnen.

Die Hartz-Gesetze werden von der Bundesagentur ohne Widerspruch gegen die Erwerbslosen durchgesetzt. Die aktuelle Praxis ist mit dem Begriff »Verfolgungsbetreuung« treffend beschrieben. Der ehemalige Leiter der Bundesagentur, Florian Gerster, sagte im vergangenen Jahr, ein Großteil der Arbeitsmarktpolitik sei Sache der Sozialpolitik, und für die müssten eigentlich die Steuer- und nicht die Beitragszahler aufkommen. Sein Ziel sei die Senkung der Lohnnebenkosten. Er machte den Kurs deutlich: »Statt Umschulung lieber eine kürzere Trainingsmaßnahme, statt ABM lieber Zeitarbeit.«

Die »Aktionsgemeinschaft Nürnberger Arbeitslose« belagert jeden Mittwoch das örtliche Arbeitsamt. KritikerInnen meinten, die Erwerbslosen sollten doch die Belegschaft nicht von unten unter Druck setzen, sie erfahre genug Druck von oben. Auf die Frage, was die KollegInnen von der Gewerkschaft und der Personalrat gegen den Druck von oben unternähmen und ob sie auch in die Öffentlichkeit gingen, lautete die Antwort: »Nein, das erlaubt die Streitkultur in diesem Hause nicht.«

Erwerbslose können nicht streiken. Wenn sie sich verweigern, stehen sie recht- und geldlos da. Nicht bitten und appellieren, sondern Druck entfalten und die Mühle zu stoppen, ist ihre Chance. Die Bundesagentur erklärt ja selbst, dass sie den Druck auf die Erwerbslosen erhöht, deshalb kann nur gemeinsamer Gegendruck etwas bewirken. Eine andere aktive Streit- und Streikkultur muss sich entwickeln, auch vor und in der Bundesagentur.

Bei Unterschriftensammlungen vor der Arbeitsagentur haben wir immer wieder MitarbeiterInnen erlebt, die uns unterstützen und die Protestbriefe unterschrieben haben. In einem Antrag von mehreren regionalen Funktionären von Verdi an die Bezirksversammlung der Gewerkschaft, die Demonstration am 6. November zu unterstützen, heißt es: »Die geplanten Proteste sind nicht gegen die Beschäftigten der BA gerichtet, sondern gegen den neoliberalen Umbau dieser Institution und einen Vorstand, der dies betreibt. Das wissen die Beschäftigten auch selber. Immerhin sind sie ja selbst Opfer dieses Umbaus. Insofern gilt das Gegenteil: Die Beschäftigten sollen aufgerufen werden, sich an den Protesten zu beteiligen, also auch gegen die Zumutung zu protestieren, dass sie jetzt diesen Mist von Hartz IV umzusetzen haben.« Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der Autor ist Mitglied des Nürnberger Sozialforums