Nichts können, das aber perfekt

Wenn es um echt creamigen Pop geht, waren die Schweden schon immer spitze. Die Legends bestätigen die Regel. von michael saager

Handclaps, immer wieder Handclaps. Sie sind nicht totzukriegen. Und sie sind beredsam: Wenn man wollte, könnte man einen Teil der Geschichte der Popmusik über das geklatschte Rhythmuselement erzählen. Über ihr Vorhandensein zwecks Steigerung der Euphorie in den Sechzigern bei den weißen Beatbands, im Funk&Soul und zuvor beim Gospel; über ihr computergeneriertes Schicksal in der unterkühlten Achtziger-Italodisco; ihr Auftauchen, Verschwinden und erneutes Auftauchen als neutrales Strukturelement im House und Techno; und natürlich über ihre Renaissance bei den Retrobands der Gegenwart.

Bei Retrobands wie den Legends. Auf ihrem vor kurzem erschienenen Album »Up Against The Legends« macht es andauernd Clap-Clap. Und dann noch einmal: Clap-Clap.

Bei den Legends dienen die Handclaps wieder ihrem ureigensten Zweck: der (Selbst-) Ekstatisierung der Musik und ihrer Hörer durch Integration eines besonders lebendigen, körperlichen Rhythmuselements. Gleichzeitig erzeugen die Klatscher eine authentisch wirkende Retro-Atmosphäre, freilich nur als ein signifikantes Stilmittel unter anderen. Johan Angergard, verantwortlich für Songs und Produktion, hat die Platte regelrecht durchtränkt mit Motown-Grooves, Tambourines und rhythmusbetonten Schrammelgitarren. Seine Stimme trägt unverkennbar jenen verzerrt-blechernen Sixties-Hall, der entsteht, wenn man von innen gegen ein geschlossenes Garagentor singt. Und die Lalalas der Backgroundsängerinnen der neunköpfigen Gruppe sollte man natürlich auch nicht vergessen.

Neunköpfig? Da dürfte es recht eng werden auf so mancher Bühne. Aber die Legends haben auch nie behauptet, eine ganz gewöhnliche Band zu sein.

Ihre Geschichte ist deshalb durchaus ein paar Zeilen wert. Da gibt es zunächst eben Johan Angergard, der bereits in zwei anderen schwedischen Bands spielte – bei den Acid House Kings und bei Club 8 – und der im Jahr 2003 auf die Idee kam, Garagen-Gitarrenpop zu machen, schlicht weil ihm sonst niemand einfiel, »der diese Art von Musik wirklich gut macht«. Er legte also los. Die Band kam erst dann ins Spiel, nachdem er die Songs geschrieben hatte. Über die Auswahl seiner Bandmitglieder sagt er: »Das sind Freunde von mir oder Freunde von Freunden, Freunde meiner Freundin und deren Freunde. Ich wollte Leute in der Band, die ich mag. Und keinesfalls wollte ich zu gute Musiker. Gerade allzu gute Musiker können nämlich live ganz schön öde sein. Ich persönlich schätze das Gefühl, nicht zu wissen, ob die Band diesen Song jetzt zu Ende spielen wird oder nicht. Obwohl wir live schon sehr gut geworden sind – das ist fast schon wieder ein Problem.«

Das Ideal lautet also, musikalische Spannung aus einer möglichst hohen Fehlerwahrscheinlichkeit zu beziehen. Mit Punk hat Angergards Idee indes weniger zu tun, als man vielleicht meint. Denn bei Punk ging es nie darum, zusammen zu spielen, weil alle so schlecht waren. Punk machte aus der Not eine Tugend, wenn er damit kokettierte, dass es doch geil sei, nichts zu können. In Wirklichkeit spielte man zusammen, nicht weil, sondern obwohl man nichts konnte. Aber klar, es steckt durchaus eine Portion Tiefstapelei in den Sätzen von Angergard: Ihr erstes Konzert vor einem guten Jahr in Schweden wurde jedenfalls hoch gelobt.

Angergard nennt seine Musik »verschrobenen Gitarrenpop«. Und wenn man ein bisschen genauer hinhört, merkt man schnell, dass unter dem Gewand der sechziger Jahre vor allem Stücke stecken, die eher auf die späten Achtziger und frühen Neunziger des englischen Indie-Pop verweisen. Das Songwriting erinnert mit seiner Betonung auf schüchterne Melancholie an Bands wie My Bloody Valentine, Slowdive, Galaxie 500 oder Jesus And Mary Chain, nur dass »Up Against The Legends« mit seinen fortlaufenden Up-Beat-Grooves – die durchaus zum Tanzen geeignet sind – kaum ruhige Momente hat. Es ist genau diese vorwärts treibende Unruhe im Rhythmus, die im Zusammenspiel mit der Tonart Moll dazu führt, dass sich die Traurigkeit der Songs in so etwas wie fröhliche Seligkeit verwandelt, in einen heiter hüpfenden Zustand inneren Friedens. Und obwohl sich ein paar Songs sehr ähneln, ist »Up Against The Legends« vor allem eines: ein ziemlich schönes Album.

Die Reaktionen der Musikpresse auf die Platte waren ebenfalls gut, auch hierzulande. Positiv hervorgehoben wurde ein ums andere Mal der enorme Popappeal der Songs. Dieses fast schon blind zu nennende Verständnis für ausgefeiltes Songwriting und Melodien, die man einmal hört und dann nie wieder vergisst, teilen die Legends wiederum mit einer ganzen Reihe schwedischer Bands. Angergard meint dazu: »Dass es im nicht gerade einwohnerstarken Schweden so viele gute Indie-Pop-Bands gibt, hat vermutlich etwas mit unserem kulturellen Erbe zu tun. Man wächst auf in diesem Land, und überall um dich herum ist Musik; Leute spielen Instrumente und gründen Bands. Und man merkt sehr schnell: Das ist etwas, was auch du tun kannst. Außerdem kann man in schwedischen Schulen ein Instrument erlernen, ohne Geld dafür bezahlen zu müssen. Auch das dürfte ein Grund sein.«

Deshalb ein Hohelied auf den (ehemaligen) schwedischen Sozialstaat anzustimmen, würde vermutlich etwas zu weit führen. Auf jeden Fall ist Angergard ein ausgezeichnetes Beispiel für einen echt leidenschaftlichen Musiker. Er spielt nicht nur in drei Bands, gemeinsam mit Freunden betreibt er außerdem das kleine Label Labrador. »Ich wollte schon immer irgendetwas mit Musik machen«, sagt er. »Ich liebe es, neue Bands zu entdecken; und ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Leute nicht zu viel Müll hören. Indem ich Labrador betreibe, unterstütze ich die Welt mit guter Musik.« Schön an diesen zwischen Euphorie, Naivität und Arroganz angesiedelten Sätzen ist zweierlei: Dass ihr Sprecher glaubt, was er da sagt; und dass ihm Labrador-Bands wie Edson, Corduroy Utd., Radio Dept. und nicht zuletzt seine eigene, die Legends, Recht geben. Durch sie wird die Welt wirklich eine bessere.

The Legends: Up Against The Legends (Labrador)