05.05.2004

Der Tyrann und die Liebe

Saddam Hussein ist nicht nur ein Massenmörder, sondern auch Literat. Sein Liebesroman »Zabibah und der König« ist nun auf Deutsch erschienen. von heinz erdmann

Unermesslich ist die Zahl wundersamer Ereignisse und heldenhafter Taten im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, unermesslich die Zahl erhabener Werke. Der Irak – das ist die Heimat stolzer Falken und edler Schönheit, die Wiege der Schrift und der Kunst des Erzählens«, heißt es im Prolog eines nun auf Deutsch erschienenen Romans mit dem Titel »Zabibah und der König«. Aber es ist nicht der Titel, der dem Buch eine gehörige Portion an Skurrilität verleiht. Es sind sein Inhalt und sein Autor Saddam Hussein. Jener Mann, der den Irak Jahrzehnte lang mit eiserner Faust regierte und für den Tod Tausender unschuldiger Menschen verantwortlich ist, versucht sich als Romancier, ausgerechnet an einem Liebesroman. Zabibah, so nennt der Schlächter von Tikrit seine Protagonistin, ist ein einfaches Mädchen aus dem Volk, das sich in ihren König verliebt und umgekehrt. Erschienen ist die Originalausgabe des triefenden Schundromans bereits im Jahre 2000 im Irak, und es verwundert kaum, dass sich die irakischen Medien – damals freilich noch unter der strengen Kontrolle des gefürchteten Präsidenten – ob dieser Veröffentlichung mit Lobpreisungen regelrecht überschlugen.

Selbst der CIA war Husseins Ausflug in literarische Gefilde anno 2000 noch eine Analyse wert, wie uns der Klappentext der deutschen Ausgabe nun verrät. Drei Monate lang, so will der Thomas Bauer Verlag wissen, haben amerikanische Geheimdienstexperten das Buch als »Fenster in den Kopf des irakischen Ex-Diktators« benutzt. Wirklich fündig dürften sie dabei nicht geworden sein. Denn der Verlag zitiert einen »führenden CIA-Beamten« mit den Worten: »Ein intelligentes Buch, das einen bis zur letzten Seite fesselt.« Tatsächlich ist »Zabibah und der König« das genaue Gegenteil davon. Mit maßlos ausgereizten Floskeln und von nahezu bestechendem literarischen Dilettantismus, verleitet dieses Buch mehr zum Wegnicken als zum Weiterlesen. Und da überrascht es dann auch nicht weiter, wenn man nach Rückfrage beim Verlag erfährt, dass er das Zitat des so genannten CIA-Experten einfach nur der New York Times entnommen habe.

So wie auch die ganze Entstehungsgeschichte der deutschsprachigen Ausgabe etwas seltsam anmutet. Ein Geschäftsmann nämlich will nach einer Bagdadreise die Originalausgabe von »Zabibah und der König« nach Deutschland mitgebracht haben. Fehlende internationale Abkommen mit dem Irak machen eine Urheberrechtsgenehmigung überflüssig, was übrigens für alle irakischen Publikationen gilt. Als mehrere Verleger dankend abwinkten, habe man sich, so der Thomas Bauer Verlag, für eine Veröffentlichung entschieden. Erwarte man doch einen spannenden politischen Diskurs über das Werk und dessen Autor. Dass der Verlag bislang Bücher der Sorte »Ruhepol. Verwandeln Sie Ihr Haus in eine sinnliche Oase«, »Blumenzauber. Stielvolle Arrangements für alle Jahreszeiten«, »Der Knigge für die junge Generation« oder »Lichtdurchflutet. Innovative Architektur und Design aus Glas« publizierte, empfindet man dabei als wenig störend. Im Gegenteil. Der Thomas Bauer Verlag listet »Zabibah und der König« in der Kategorie Lifestyle gleich neben dem »Großen österreichischen Kochbuch«. Unappetitlich sind wohl beide. »Zabibah und der König« aber ganz bestimmt.

Nach Lobpreisungen des Zweistromlandes erinnert sich der Erzähler an eine Geschichte, die ihm seine Großmutter in seiner Jugend einmal zum Besten gab. Es ist die Geschichte einer aufrichtigen Liebe zwischen Zabibah, dem einfachen Mädchen, und dem König Arab. Sehr schnell wird dem Leser deutlich, worum es in Husseins Groschenroman eigentlich geht. Der stolze, einfühlsame und gerechte König Arab ist nichts anderes als das literarische Ich Saddam Husseins. Zabibah, die schöne, unbeugsame und kluge Geliebte, symbolisiert das irakische Volk, und beide erleben allegorisch die jüngere Geschichte des Irak. »Ich bin der König eines großartigen Landes, und die Freiheit meines Volkes liegt mir am Herzen«, erklärt der König seiner Geliebten. Unfassbar, was sich in Husseins Kopf abgespielt haben muss, als er diese Sätze schrieb und gleichzeitig unliebsame Regimegegner in Massengräbern verscharrte. Aber auch für die Vereinigten Staaten fand Hussein eine Entsprechung. Sie werden in Zabibahs Ehemann verkörpert. Der rücksichtslose Schläger, Trunkenbold und Tunichtgut besteigt mit brutaler Regelmäßigkeit seine angewiderte Gemahlin. Diese flüchtet sich immer öfter in den Palast des Königs und gibt sich dem Monarchen schließlich gänzlich hin. »Die schönste Liebe für einen König«, sagt sie leise, »ist die Liebe seines Volkes zu ihm. Und ich bin eine aus dem Volk.« In dieser Nacht wartet die Wache vor dem Haupttor des Palastes vergeblich auf die Rückkehr Zabibahs. Erst im Morgengrauen erscheint sie, strahlend, schön, und verlangt nach ihrem Pferd, um heimzureiten.

Doch dessen nicht genug. Nach und nach entwickeln der König und seine Geliebte in einem platten Fragespiel abstruse Staatstheorien, die unverkennbar der Ba’ath-Ideologie Saddam Husseins angenähert sind. Als die Liebe der beiden sich immer mehr vertieft, bittet Arab seine Geliebte um ihre Hand. Klare Sache, dass das der Ehemann nicht auf sich sitzen lassen kann. Aus Rache vergewaltigt er Zabibah. Die Vergewaltigung findet noch dazu am 17. Januar statt. Genau an jenem Tag, als im Jahre 1991 der von den US-Truppen angeführte Krieg gegen den Irak begann. »Gewalt über sich ergehen lassen zu müssen, ist immer das Grausamste, ob nun eine Frau sie erleiden muss oder ein Volk, dem ein fremdes Heer Gewalt antut, oder ob das Recht gebeugt wird. Nichts ist unerträglicher, als solch eine Schmach zu erleben. Das Einzige, dachte Zabibah, was mir meine seelischen Qualen ein wenig erleichtert, ist, dass ich mich gewehrt habe, bis mir die Sinne schwanden.«

Vollkommen in Rage darüber, was man seiner Geliebten angetan hat, zieht Arab gegen den Ex-Ehemann und andere Verschwörer in den Krieg. Anders als 1991 werden die Feinde letztlich niedergemetzelt. Nur Zabibah überlebt nicht. »Als das Volk erfuhr, was dieser Mensch Zabibah angetan hatte, bewarf es seinen Leichnam mit Steinen und allem möglichen Unrat. Dieses Geschehen wurde später zur Tradition. Jedes Jahr strömten am 17. Januar die Massen herbei, um den nichtswürdigen Frevler und mit ihm alle Verräter zu steinigen.« Kurze Zeit nach dem Krieg verendet letztlich auch Arab, der wegen seiner Verdienste für sein Volk von diesem nun mehr Araber genannt wird. Araber stirbt nicht durch fremde Hand, sondern durch tiefe Trauer um den Verlust seiner Geliebten.

Was jedoch zurückbleibt, ist der gänzlich genervte Leser. Mit seichten Dialogen und beinahe unfassbarer Plattheit versucht Saddam Hussein in »Zabibha und der König« den Souveränitätsanspruch seiner Schreckensherrschaft und das System der irakischen Ba’ath-Partei zu rechtfertigen. »Gewiss, Majestät. Das Volk braucht Strenge, damit die Guten beschützt werden und die, die schwach und verführbar sind, das Gesetz fürchten«, lässt er Zabibah sagen. Letztlich ist dieses Buch nichts anderes als ein ins Deutsche übersetztes Propagandamittel des ehemaligen Diktators.

Nur manchmal wird man aufgrund der abgedroschenen Schreibweise regelrecht zum Lachen gezwungen. In einem Unterkapitel mit dem Titel »Jeder ist verdächtig« unterweist Zabibah ihren geliebten König in Sachen Verschwörungstheorien. »Ein giftiger Pfeil reicht nicht für einen Mord, man muss auch Bogen und Köcher haben. Die müssen wir suchen, und wir dürfen nicht vergessen, dass, wenn es einen giftigen Pfeil gibt, vielleicht auch noch andere Pfeile darauf warten, abgeschossen zu werden.« »Aber der Mörder hatte doch ein Schwert und keinen Pfeil, Zabibah?« »Ich habe ein Gleichnis verwendet.«

Trotz seiner Gefangennahme hält sich Saddam Hussein wohl noch immer für den Präsidenten des Irak, wie die in London erscheinende arabischsprachige Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat vor kurzem berichtete. In Erfahrung gebracht habe man dies von einer amerikanischen Rechtsberaterin, die Hussein kürzlich in seiner Gefängniszelle aufsuchte, berichtete das Blatt. Hussein hat keinen Kontakt zur Außenwelt und zu Mithäftlingen, erzählte die Besucherin. Nur Papier und Stifte habe er auf eigenen Wunsch erhalten, heißt es weiter. Wer »Zabibah und der König« gelesen hat, würde ihm auch das wieder wegnehmen.

Saddam Hussein: Zabibah und der König. Verlag TBV 2004, 192 S, 18,90 Euro