Nachrichten

Die Beichte als Sünde

Elia Kazan. Er war der Ehrlose, der Gefallene, aber auch das Genie Hollywoods: Elia Kazan. Kaum ein anderer Regisseur war Zeit seines Lebens so umstritten und dennoch so brillant wie er. In den Fünfzigern war es zu der Verfehlung gekommen, die ihm Scheinheilige und Gutmenschen auch fünfzig Jahre später nicht verzeihen wollten, weil sie nicht bereit sein wollten, Leben und Werk des Regisseurs voneinander zu trennen.

Am 10. April 1952 sagte Kazan vor dem Senatsausschuss für Unamerikanische Umtriebe aus. Er, der kurze Zeit selbst in der Kommunistischen Partei Amerikas war, wie so viele Hollywood-Intellektuelle damals, denunzierte einige seiner ehemaligen Genossen, Freunde und Kollegen, die fortan im auf strikten Antikommunismus bedachten Hollywood der McCarthy-Ära keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen sollten.

Als Kazan dann 1999 der Oskar für sein Lebenswerk überreicht wurde, war der Skandal bereits vorauszusehen. Schon im Vorfeld wurde deutlich, dass viele Hollywood-Stars dem Verräter Kazan übel gesonnen waren, und bei der Verleihung wurde ihm demonstrativ der Applaus verweigert und einige der Promis wollten sich nicht von ihren Plätzen erheben. Obwohl gerade die »Linken« Hollywoods, Warren Beatty oder Martin Scorsese, immer wieder ihre Solidarität mit Kazan betonten und sich für ihren Lehrmeister stark machten.

Kazan, der Sohn griechischer Einwanderer, drehte jede Menge unsterblicher Klassiker, Filme wie »A Streetcar Named Desire«, »East Of Eden«, »On The Waterfront«, »Wild River«, durch ihn erst wurden James Dean und vor allem Marlon Brando zu Idolen.

Pikanterweise ging es in seinen Filmen immer wieder um die ganz großen Gefühle, um Verachtung, Hass, Liebe und Vergebung, Kazan war der Meister des dramatischen Emotionskinos. Ihm selber schlug dann genau diese von ihm stimmungsvoll inszenierte Verachtung und dieser Hass nach seinem eigenen Fehltritt entgegen. Vielleicht hätte er dies voraussehen können. Immer wieder ließ er seine Filmhelden dann scheitern, wenn sie ihre Ideale verrieten, wenn sie bestimmte Ehrenkodizes verrieten, warum hätte es ihm selbst später anders ergehen sollen?

Am Sonntag vor einer Woche ist Elia Kazan im Alter von 94 Jahren in New York gestorben.

Gottesbeweise IV und V

Johnny Cash. Was war das für ein Geschrei, als vor ein paar Wochen Johnny Cash verstorben ist. Jung und Alt lag sich mit tränennassen Augen gegenseitig in den Armen, und sich zum Country zu bekennen, galt plötzlich nicht mehr als tapfer oder abartig uncool, sondern war so gut wie selbstverständlich. Liebe Johnny Cash-Fans, seid fortan nicht mehr traurig, denn es gibt ein Leben nach dem Tod, Johnny beweist es euch einmal mehr. Denn schon im November soll eine posthume Vierer-Box mit unveröffentlichten Aufnahmen des Meisters erscheinen und vielleicht gibt’s sogar noch eine neue CD aus dem Nachlass obendrauf. Und seid sicher, liebe Trauernde, es wird nicht das Letzte sein, was an Johnny Cashs Musik über euch kommen wird. Vom Rapper Tupac erscheinen immer noch regelmäßig neue Platten mit irgendwelchen, irgendwo gefundenen neuen Aufnahmen, und der Mann ist schon seit Jahren tot.

Dieter Bohlen wird verboten

Skandalbuch. Bild übertraf sich in den letzten Wochen mal wieder selbst, und brachte täglich exklusiv was Neues vom Dieter. Oder besser gesagt davon, was der Dieter in seinem neuen Buch »Hinter den Kulissen« so von sich gibt. Etwa, dass Juliette-Superstar einen nicht so tollen Silikon-Busen habe, Thomas Anders ein nichtskönnender Sangesschwuchtel sei, der sich zudem regelmäßig an Modern Talkings Spesenkasse vergriffen habe, und dass da mal was zwischen ihm und Nena im Busch gewesen wäre. Alles hochbrisanter Stoff also, und so weltbewegend und radikal aufklärerisch, dass nun gleich eine zehnfache einstweilige Verfügung gegen »Hinter den Kulissen« erlassen wurde. Das Buch, das seit dieser Woche im Handel erhältlich sein sollte, darf somit vorerst nicht weiter ausgeliefert werden, weil sich gleich eine ganze Armada superwichtiger Promis in ihren Persönlichkeitsrechten durch Bohlen verletzt fühlt. Neben Anders, sind unter anderem Eva Hermann, Jens Riewa und Jenny Elvers gegen Deutschlands Superproduzenten Nummer eins vorgegangen. Da müssen wir wohl doch erstmal weiter unseren Küblböck zu Ende lesen.

Alle Jahre wieder

Nobelpreis. Der letzte Nobelpreis ging an Imre Kertesz, und auch dieses Jahr wird mit J.M. Coetzee ein Schriftsteller geehrt, der eine ganz eigene Form von politischem Bewusstsein in seinen Werken pflegt. Auch Coetzee ist einer, der zwar anklagt, dabei aber auf jeden Furor verzichtet, und der es eher leise als laut liebt. Dem Südafrikaner, der seit ein paar Jahren in Australien lebt, liegt nichts ferner als die große Inszenierung, und das bezieht sich auf sein Werk gleichermaßen wie auf ihn als Autor und Mensch. Als schüchtern gilt er, als geradezu menschenscheu, und wenn ihm demnächst der Preis in Stockholm überreicht wird, darf wohl kaum mit einer großen Show seinerseits gerechnet werden.

Coetzees erster Roman »Länder der Dämmerung« erschien 1974, als sein erstes »großes« Werk gilt »Warten auf die Barbaren« von 1980. Er ist keiner, der sich als politischer Schriftsteller mit großen Worten gegen die Aphartheid in Südafrika positionierte, das alles lief bei ihm immer subtil oder allegorisch. Man muss, so platt das auch klingen mag, bei ihm immer auch »zwischen den Zeilen lesen«.

Coetzee zeigt sich als so zerrissen wie die Zustände in Südafrika, mit reiner Schwarz-Weiß-Malerei wollte er noch nie etwas zu tun haben. Zuletzt erschien von ihm im letzten Jahr seine Autobiographie »Die jungen Jahre«.