Lara wird jetzt Mensch

Im neuen »Tomb Raider«-Film erinnert Lara Croft leider mehr an Angelina Jolie als an eine Computerspielfigur. von ivo bozic
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Viele glauben, auch schlechte Filme würden gut ziehen, wenn nur die Hauptdarstellerin sexy ist. Doch das war wirklich nicht der Grund, weshalb ich den neuen »Tomb Raider«-Film sehen wollte. Meine Ambitionen bezüglich Lara Croft haben absolut gar nichts mit Angelina Jolie zu tun, sondern ausschließlich mit Lara selbst. Denn, wie soll ich es sagen, ich bin Lara, und sie ist ich. Wir sind sozusagen eine Symbiose. Oder besser gesagt, wir waren es. Drei Computerspiele und damit viele Monate lang lebte Lara durch meine Hände auf meinem Monitor. Ich ließ sie laufen, springen, Purzelbäume schlagen. Wenn ich schoss, schoss Lara; wenn Lara versagte, versagte ich selbst. Nur wenn sie starb, lebte ich weiter. Aber sie ja auch – dank häufigem Zwischenspeichern.

Sie war eine Marionette in meinen Händen, mein Werkzeug, mein Vasall. Und umgekehrt war ich von ihr abhängig. Sie brachte mich zum Verzweifeln, und zum Immer-weiter-machen. Wenn ich ein Rätsel nicht lösen konnte, stand sie wie verloren im Raum herum und ließ ihren Pferdeschwanz wippen, vorwurfsvoll. So lange, bis ich doch noch auf die Lösung kam. Wenn wir einen weiten Sprung nicht schafften, trieb sie mich an, es immer wieder zu versuchen. Und wenn ein Gegner unbesiegbar schien, so wussten wir doch, irgendwie muss er zu packen sein, und ballerten uns gemeinsam den Weg frei.

Mit der Zeit jedoch wiederholten sich die Szenen, die Rätsel, die Gegner. Dann fand ich im Internet eine Seite mit Tricks und Lösungen für jede noch so kleine Sequenz. Und das war es dann. Natürlich nur, wenn es gar nicht mehr anders ging, schaute ich dort nach. Immer öfter, immer schneller. Und schließlich verlor das Spiel seinen Reiz, und ich rasierte mich, setzte mir eine Sonnenbrille auf und betrat nach einer halben Ewigkeit endlich wieder die Straße. Anfangs vermisste ich die Uzzis an meinem Gürtel. Aber irgendwann ging es auch so.

Ich war also schon beim ersten »Tomb Raider«-Film sehr gespannt, wie Regisseur Jan de Bont mein Leben verfilmen würde. Und jetzt beim zweiten natürlich ebenso. Aber: De Bont ist auch der Macher von »Speed« und »Speed 2«. Während »Speed« ein ordentlicher Actionstreifen ist, ist der zweite Film nur noch ein trauriges Echo. Irgendwie klar, dass es Lara unter den Händen von de Bont nicht besser ergehen würde. Im ersten Film glänzte Angelina Jolie immerhin nicht nur mit ihren Brüsten, sondern vor allem mit respektablen Action-, Kampf- und Sprung-Szenen, wie man das aus dem Game gewohnt war. Im neuen Film ist davon kaum etwas übrig. Die Kampfszenen sind öde, die Kletter- und Sprungsequenzen sind rar und zu realistisch, und höchstens die kurze Motorradfahrt auf und entlang der Chinesischen Mauer erinnert an Fahr-Szenen aus dem Game.

Und dann war da noch die Sache mit dem Hai. Lara lässt sich von einem Hai an der Flosse an die Wasseroberfläche ziehen – einem ganz schlecht animierten Hai. Ein schönes Zitat aus dem Computerspiel also. Eigentlich eine gute Idee, von der Art hätte man gerne mehr gesehen. Da aber ansonsten die Game-Verweise Mangelware sind, wirkt die Szene dann doch eher wie aus einem B-Movie.

Das einzige Kapital, welches der Film gehabt hätte, waren Anleihen aus dem Game. Doch leider erinnern fast nur die armselige Mimik der Jolie und die belanglosen Dialoge an das Spiel. Gnadenlos hat der Regisseur die Ikonografie, die Stilisierungen, die Verfremdungen, die einem das Game an die Hand gibt, ausradiert. Lara Crofts knallenges grünes Mini-Top wurde durch Klamotten von C&A ersetzt. Null acht Fünfzehn war da nicht nur der Preis. Das ist zwar politisch korrekter und an sich auch völlig okay. Nur wirkt Lara nicht mehr wie eine fleischgewordene Computerfigur, sondern einfach wie eine schlecht spielende Actionfilm-Darstellerin. Während aktuell Dieter Bohlen vor unser aller Auge schrittweise vom Menschen zum Cartoon mutiert, ist aus der Spielfigur Lara ein Mensch geworden. Noch dazu einer, der stark an Angelina Jolie erinnert. Schade.

Wie schon das Game spielt auch der Film mit Assoziationen zu James Bond und Indiana Jones. Vor allem der rasante und eher sinnfreie Wechsel der Originalschauplätze kann sich sehen lassen. Doch die neuen Bond-Filme funktionieren, obwohl sie längst nicht mehr das alte Format haben, durch ihr immer gleiches Schema. Running Gags, die sich seit Jahrzehnten hinziehen, und eben die kleinen, aber alles entscheidenden Variationen des immer Gleichen. So funktionierten auch die »Tomb Raider«-Games. Beim Film geht das nicht auf. Vielleicht, wenn man noch fünf davon drehen würde, aber das wollen wir nicht hoffen.

Wenigstens die Actionszenen und Animationen sind bei Bond immer weiterentwickelt worden. Bei Lara gibt es kaum eine erwähnenswerte Szene. Und die Story? Lara und ihr Team liefern sich mit einem Bösewicht einen Wettlauf um die Büchse der Pandora. Ziemlich abwegig, aber das soll uns nicht stören. Doch wenn Lara am Ende die Schatulle in der Grotte liegen lässt, fragt man sich doch, warum vorher die ganze Aufregung?! Hauptsache, der Bösewicht bekommt sie nicht? Na ja, da hätte man den auch einfach ausschalten können und fertig. Oder?

Ach so, für unsere deutschen Leserinnen und Leser sei noch erwähnt, dass Til Schweiger einen Ganoven namens Sean, Handlanger des Oberbösewichts, spielt. Leider hat Schweiger seine Rolle nicht ganz verstanden. Laut Pressetext bezeichnet er Sean als »eine brutale Killermaschine«, dabei spielt er nur den Tölpel, der versucht, böse zu sein, und dabei immer auf die Fresse kriegt. Es wird nie so ganz klar, wo das absichtlicher Humor oder unabsichtliche Peinlichkeit eines zu harmlos dreinblickenden Schweiger ist. Etwa, wenn der kleine Til der Lara eine Knarre an die Schläfe drückt und wie ein Schwarzenegger raunt: »Move, Baby!«

Naja. Dies alles soll jetzt niemanden abschrecken, sich das Filmchen anzuschauen. Vielleicht sieht man das alles völlig anders, wenn man nicht so wie ich in die ganze Geschichte involviert ist. Und nicht wenige sollen sich ja schon den ersten Film eher wegen der Jolie angeschaut haben. Dabei hat jedes zweitklassige Bond-Girl mehr Sexappeal. Und die echte Lara sowieso.

»Tomb Raider 2 – Lara Croft an the Cradle of Life«, USA 2003. R: Jan de Bont, D: Angelina Jolie. Start: 14. August