Im Braunlichtmilieu

Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Oder ermittelt gegen einen Nazianführer wegen des Verdachts auf Frauenhandel. von andreas speit

Bei der Menschenverachtung in dem Geschäft überrascht es nicht, dass Rechtsextreme in den Frauenhandel involviert sind«, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Oder. Seit Wochen ermittelt die Behörde gegen Ernst-August Möller aus Tönning bei Husum. Der Tatvorwurf lautet: »Einschleusen von Ausländern«. Denn während das Nazifußvolk »Ausländer raus« brüllt, versuchen die Anführer offensichtlich, ausländische Frauen in das hiesige Rotlichtmilieu einzuschleusen.

»Es besteht der Verdacht auf Frauenhandel«, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Der 69jährige Möller, ehemaliger Unterstützer der »NSDAP/Ausland – und Aufbauorganisation« (NSDAP/AO) und früherer Kreisvorsitzende der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) im Kreis Nordfriesland, soll Frauen für das Rotlichtmilieu über die deutsch-polnische Grenze nahe Frankfurt/Oder gebracht haben. Dabei haben die Ermittlungsbehörden Möller offenbar erwischt, und er kam kurzfristig in Haft.

Über den genauen Tathergang möchte die Staatsanwaltschaft aus »ermittlungstechnischen Gründen« nichts sagen. Auch zum Stand der Ermittlungen schweigt sie, denn es werde noch geprüft, ob es sich um die »Einzeltat einer Person« oder die »Wiederholungstat einer Gruppe« handele.

Es ist nicht das erste Ermittlungsverfahren gegen Möller. Schon Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre beschäftigten seine politischen und kriminellen Aktivitäten die Justiz in Schleswig-Holstein. Im Jahr 1977 fielen der damalige Landwirt und Krabbenfischer und seine kleine Gruppe mit Propagandaaktionen auf. So verbreiteten sie Aufkleber mit der Botschaft: »Juden raus«. Zwar mussten Möller und weitere Personen sich im Jahr 1979 vorm Landgericht Flensburg verantworten, Möller wurde jedoch freigesprochen.

Im September 1978 überfielen Möllers Kameraden Jürgen Töpke und Armin Peil in Husum ein britisches Militärfahrzeug, um Waffen zu stehlen. Unbehelligt erreichten sie mit einem entwendeten Tresor Möllers Hof Schrapenbüll. Statt Waffen fanden sie in dem gestohlenen Panzerschrank geheime Dokumente der Nato, von Telefonlisten bis zu Raketencodes.

Mit dem Material wollte die sechsköpfige Nazigruppe Rudolf Hess freipressen, den ehemaligen Stellvertreter Adolf Hitlers, der unter alliierter Kontrolle in Berlin-Spandau einsaß. »Tauschen Safe für die Freiheit Rudolf Hess«, ließen sie als »Werwolf Deutsches Reich« per Post die britische Armee wissen. Als sie keine Antwort erhielten, wandte sich ihr Kamerad Rolf Dieter Böhm an eine Boulevardzeitung, um die Dokumente für 10 000 Mark zu verkaufen. Doch er hatte keinen Erfolg und versteckte die Unterlagen auf seinem Ponyreithof Thule bei Garding.

Als im März 1979 die Husumer Gruppe einen Brandanschlag auf eine Freimaurerloge in Hamburg vorbereitete, wurde Armin Peil die Sache zu heiß, und er wandte sich an die Sicherheitsbehörden. Die Gruppe hatte vier Tage lang die Loge und die Hausmeisterfamilie ausspioniert, um festzustellen, dass sie drei große Propangasflaschen, 120 Liter Benzin und drei elektrische Zeitzünder bräuchten. Der Tod der Familie wurde einkalkuliert.

Unter dem Vorwurf, eine »terroristische Vereinigung« gebildet zu haben, nahmen die Staatsschützer Möller und fünf Mitglieder der Gruppe fest und durchsuchten deren Häuser und Wohnungen. Auf Möllers Hof fand die Polizei Propagandamaterial, Waffen, Munition und mehrere Bombenzünder.

Zuvor war der Gruppe sogar ein Bombenanschlag auf die Flensburger Staatsanwaltschaft gelungen. Und um »Geld für die Bewegung und für Waffen zu bekommen«, berichtete Peil, habe sie auch »21 schwere Diebstähle« verübt. Bei den Verhandlungen vor dem Oberlandesgericht Schleswig und dem Landgericht Flensburg in den Jahren 1981 bis 1982 stuften die Richter Möller zwar als einen der Anführer der Nazis ein, dennoch kam er mit einem milden Urteil davon. Wegen versuchter Nötigung und Mitwisserschaft verurteilten ihn die Schleswiger Richter zu einer Geldstrafe von 7 200 Mark, die Flensburger Richter verhängten eine Geldstrafe von 7 800 Mark wegen Hehlerei und Beihilfe zum Diebstahl.

Bis heute scheint Geld aus Möllers kriminellen Machenschaften in die »nationale Bewegung« zu fließen. »Seine Gesinnung hat er nicht verändert«, erklärt der Leiter des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutz, Michael Wolf, er sei aber »ja nun älter« und nicht mehr »so aktiv«. »Einzelne Personen des rechten Spektrums« würde er allerdings »privat unterstützen«.

Bekannte Neonazis wie Heinz Manke wohnten auf Schrapenbüll, und bis vor zwei Jahren nutzten Nazis Möllers Hof regelmäßig für ihre Treffen, wie Anwohner berichteten.

Aber nicht nur der Altnazi scheint enge Kontakte zum kriminellen Spektrum zu haben, sondern auch einige junge Kameraden. »Wir können vereinzelte Verbindungen der Kieler rechten Szene zum Rotlichtmilieu beobachten«, erläutert Wolf. Vor allem der Naziführer Peter Borchert bewege sich in Schleswig-Holstein zwischen der braunen Szene und dem Rotlichtspektrum, sagt Wolf.

Diese Verbindungen wurden im April des Jahres 2001 erstmals bekannt. Die Naziband Kraftschlag sollte bei einem vom Neumünsteraner Nazizentrum »Club 88« und der Kieler Hooligankneipe »Fischerklausel« veranstalteten Konzert in der Disko »Flach« auftreten. Doch das Konzert im Rotlichtviertel wurde verboten. Im Frühsommer fanden dann in Lexgaard zwei Ersatzveranstaltungen statt. Die Zuhörerschaft bestand »sowohl aus Angehörigen des ›Rotlicht-Milieus‹ als auch aus der Skinheadszene«, heißt es beim Verfassungsschutz.

Nach Flugblattaktionen in der Kieler Innenstadt gehen die Freien Nationalisten um Peter Borchert auch gerne in einschlägige Etablissements. Solche Bekanntschaften dürften es Borchert auch erleichtert haben, sich die Schusswaffe zu besorgen, die im Jahr 2000 bei ihm sichergestellt wurde.