Das Zauberwort

ich-ag der woche

Deutschland hat die schönste Sprache der Welt. Kapitalismus nennen wir »freie Marktwirtschaft«, unser nationales Ressentiment bezeichnen wir als »Leitkultur«, unsere Giftmüllhalden sind »Entsorgungsparks« und eine Hinrichtung heißt »finaler Rettungsschuss«.

Immer wieder finden sich in unserem reichhaltigen Sprachschatz neue Worte, die uns helfen, die Welt besser zu verstehen. Sie spornen uns an, ermutigen uns und schaffen es, uns auch da Zuversicht zu vermitteln, wo gar keine ist. Ein solcher Begriff ist auch die »Ich-AG«, mit dem der vom Staat angestellte Elendsverwalter, der »Superminister«, genau zu bezeichnen sucht, warum selbst ein Arbeitsloser etwas wert sein kann, wenn er spurt. Fast jeder, der leistungsorientiert denkt und sich zur »Ich-AG« macht – sei es als Klofrau, Schuhputzer oder Erotikhostess –, kann sinnvoll vernutzt werden. Warum also gerade »das schöne Wort von der Ich-AG« (Wolfgang Clement) zum »Unwort des Jahres 2002« gewählt wurde, bleibt unverständlich. Denn: »Die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort.« (Peter Hartz)

Deshalb gilt auch künftig: keine Sorge. In den Disziplinen Dichten und Denken bleiben wir Deutschen Weltmeister und haben deshalb allen Grund, stolz zu sein. Unsere Literatur ist der Quelle-Katalog, unser Gott ist die Arbeit und unsere Mülltonnen nennen wir »Wertstoffbehälter«. Ja, wir lieben dieses wunderbare Land, dessen Reichtum vor allem einer der Sprache ist, deren zauberhafter Klang auch schon zu früheren Zeiten unsere europäischen Nachbarn derart betörte, dass sie Wörter wie »Blitzkrieg« bis heute nicht vergessen haben.

thomas blum