Zur Ausstellung »Schwarze im NS-Staat«

Besondere Kennzeichen

Fasia Jansen, 1929 in Hamburg geborene Tochter eines liberianischen Großkonsuls und eines deutschen Kindermädchens, klagte 1960 vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf auf Entschädigung für das im NS-Staat an ihr begangene Unrecht. Als 14jähriges Mädchen wurde sie 1944 zwangsverpflichtet, in einem Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme zu arbeiten, und trug ein schweres Herzleiden davon. Nach dem im Prozess vom Münchner Institut für Zeitgeschichte vorgelegten Gutachten allerdings waren »Neger im NS nicht besonderen Maßnahmen ausgesetzt«. Und die Richter des Nachfolgestaats verweigerten ihr eine Entschädigung.

Solche und ähnliche Fälle bringt die als Wanderausstellung konzipierte Dokumentation »Besondere Kennzeichen: Neger. Schwarze im NS-Staat«, die ab 7. November im NS-Dokumentationszentrum in Köln zu sehen ist, ans Licht einer breiteren Öffentlichkeit. Die Projektgruppe um ihren Leiter Peter Martin, Autor der Pionierstudie Schwarze Teufel, edle Mohren. Afrikaner in Geschichte und Bewusstsein der Deutschen, hat Material aus ganz unterschiedlichen Bereichen vorgelegt, um Legendenbildung und Ignoranz angesichts des gegen Schwarze gerichteten Rassismus in der Weimarer Republik und unter dem NS-Regime entgegenzuwirken. Auf drei Ebenen rekonstruiert die Ausstellung diese Verfolgungsgeschichte.

Erstens zeigt sie Dokumente des Alltags einer vergessenen Minderheit, die nach 1933 vor allem in proletarischen Milieus, aber auch bei Landwirten, Schaustellern sowie Artisten Unterschlupf fand oder allein durch die Flucht überleben konnte. Berufsverboten, Registrierungen und anderen Verfolgungsmaßnahmen zum Trotz suchte sie ein alltägliches Leben mit Zoobesuch, Kinderspielen und weihnachtlichem Tannenbaum aufrechtzuerhalten. Zweitens verdeutlicht die Ausstellung die kulturellen und politischen Kampagnen zu ihrer Diskriminierung, greift die Polarität von kultureller Modernität und Kulturreaktion zur Zeit der Weimarer Republik auf, thematisiert die künstlerische Avantgarde und massenkulturelle Phänomene wie den Jazz, die Mode und den Sport und stellt die rassistischen Feindbilder und Verschwörungskonstrukte dar, die Konservative und Nazis dagegen entwarfen. Drittens schließlich begaben sich die Rechercheure auf die Spurensuche. Sie legen Dokumente zur Rassenforschung, zu Menschenversuchen, über die administrativen Vorgänge bei der Zwangssterilisation und Zeugnisse aus Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagern vor. Aber auch Belege für Widerstand haben sie gefunden.

Die Plakate, Flugschriften und anderen Archivalien, die teils völlig unbekannten Fotos, Schriftstücke und Tondokumente, die hier zusammengetragen sind, werden manchen Besucher und manche Besucherin in Erstaunen versetzen. Sie werden aber auch manches für sicher gehaltene Urteil über den Rassismus im NS-Staat mit notwendigen Korrekturen versehen. Es ist ein Staat der Rassismen, der zu der in seinen terroristischen Dimensionen singulären Vernichtung, die die jüdischen Menschen in Europa traf, Parallelgeschichten aufweist. Die Ausstellung macht eine solche Geschichte nicht nur aus antiquarischen Gründen, sondern im Angesicht gegenwärtiger Rassismen transparent.