Just War

Die linke Debatte über den Krieg in Afghanistan bewegte sich schnell in den eingefahrenen Bahnen, eingefahren zumindest seit dem Zweiten Golfkrieg. Das ist nicht verwunderlich, denn beide Kriege, der von heute wie der zu Beginn der neunziger Jahre, gehören zu einem »Prozess der imperialen Konstitution«, wie Michael Hardt und Antonio Negri ihn in Empire beschrieben haben. Auf der einen Seite machen sich die linken Kriegsbefürworter erneut zu Fürsprechern einer Zivilisation, die ihre Destruktivkräfte regelmäßig gegen die versprochene Zivilität ausschlagen lässt. Auf der anderen Seite stehen jene, die anhand politökonomischer Kategorien und der Kritik geostrategischer Interessenslagen die Kriegsursachen glauben hinreichend bestimmen zu können.

Wie aber verwandeln sich Interessen in herrschaftliche Regularien? Hardt und Negri verweisen auf neue Figuren des internationalen Rechts, an denen sie die »Tendenz zur zentralisierten und vereinheitlichten Regulation des Weltmarktes wie der globalen Machtverhältnisse« ablesen. Die juristischen Veränderungen liefern ihnen den Index der imperialen Weltordnung. Das juristische Konzept des »Empire«, so streichen sie heraus, ist durch das Wiederaufleben des Topos vom »gerechten Krieg« gekennzeichnet. Der mittelalterliche Begriff, der aus dem katholischen Universalismus gespeist war, erfährt allerdings eine symptomatische Verschiebung. In der Gegenwart hat der »gerechte Krieg« keine nach innen wie außen wirkende transzendente Instanz mehr, die eben unter Berufung auf Gott den Krieg zu einem banalen und ethisch legitimierten Vorgehen gemacht hatte. Heute, so Hardt und Negri, ist der »gerechte Krieg« stattdessen »zu einer Unternehmung geworden, die ihre Rechtfertigung in sich selbst trägt. Zwei unterschiedliche Elemente sind in diesem Konzept des 'gerechten Krieges' kombiniert: erstens die Legitimität des militärischen Apparats als ethisch begründete, zweitens die Effektivität der militärischen Aktion, um die gewünschte Ordnung und den Frieden zu schaffen. Die Synthese dieser beiden Elemente wird zweifellos ein entscheidender Faktor sein, von dem die Grundlagen und die neue Tradition des Empire abhängen werden. Heute wird der Feind, wie auch der Krieg selbst, zugleich banalisiert und verabsolutiert, er wird reduziert auf ein Objekt der polizeilichen Routine und dargestellt als der große Feind, die absolute Bedrohung der ethischen Ordnung.« Die säkularisierte Form des gerechten Krieges mündet in eine diffuse permanente Kriegsordnung, wie sie sich im »lang andauernden Krieg gegen der Terrorismus« ankündigt.

Die Regierungen in den Metropolen bereiten mit neuen Gesetzen ihre Gesellschaften auf diese Kriegsordnung vor. Sie mobilisieren verhalten, formieren jedoch die staatlichen Apparate umso gründlicher. Gott und Vaterland dienen als säkulare Galionsfiguren autoritärer Kollektivbildung, die den Verlust nationalstaatlicher Souveränität kaschieren sollen und alle kriegführenden Gesellschaften in die katastrophische Alternative »wir oder sie« zwingen helfen. Der Krieg aber wird die ökonomischen und geostrategischen Interessen, die sich heute, wie etwa Rainer Trampert es im Disko-Extra der Jungle World vorgeführt hat, noch bestimmen lassen, selbst verändern. Der Selbstlauf des Kriegs ist im Auge zu behalten, auch wenn der Linken dabei vorerst nur die Waffen der Kritik kapitalistischer Vergesellschaftung zur Verfügung stehen sollten.