Jubel von rechts
Nach den Angriffen auf das World Trade Center und das Pentagon befindet sich die extreme Rechte in Deutschland in Aufruhr. Viele freuen sich über die Anschläge und reagieren mit einer Mischung aus unverhohlenem Anti-Amerikanismus, Antisemitismus und Rassismus. Einige freuen sich nicht, zumindest nicht öffentlich, und beschränken sich auf rassistische Hetze gegen MigrantInnen arabischer Herkunft und muslimischen Glaubens.
Als die militanten Freien Kameradschaften zu einem Aufmarsch am 15. September in Frankfurt/Oder mobilisierten, lautete das Motto zwar: »Gegen Globalisierung und Eurowahn«. Der Hass der 120 zumeist jüngeren Skinheads und ihrer Anführer, die an diesem Tag vier Stunden lang brüllend durch die deutsch-polnische Grenzstadt zogen, richtete sich aber hauptsächlich gegen die USA. Unverhohlene Freude darüber, dass der »Weltpolizist USA« nun selbst spüre, »wie das ist, wenn Bomben auf Busse fallen«, war ebenso zu hören, wie offene Forderungen, nun endlich gegen die rund drei Millionen Migranten muslimischen Glaubens in Deutschland vorzugehen.
Auch der NPD-Anwalt Horst Mahler ließ es sich nicht nehmen, eine Erklärung zu den Ereignissen abzusondern. Am 12. September verbreitete er im Internet, »die militärischen Angriffe auf die Symbole der mammonistischen Weltherrschaft« seien »eminent wirksam und damit rechtens«. Seit 1917 werde die gesamte Welt von einem Krieg überzogen, für den New York und der jüdische Jahwe-Kult verantwortlich seien.
Mahler lieferte ein Paradebeispiel neonazistischer Propaganda gegen die USA und insbesondere die Ostküste. »Dem Vernichtungskrieg der Globalisten gegen die Kulturen der Völker ist jetzt erstmals auf amerikanischem Boden eine militärische Niederlage beigebracht worden. (...) Der Luftschlag (...) hat das Herz dieses Ungeheuers getroffen und für einen Tag gelähmt.« Hinter solchen Aussagen verbergen sich ein eliminatorischer Antisemitismus und die verschwörungstheoretische Halluzination eines so genannten »Zionist Occupation Government«, das als »zionistische Besatzungsregierung« dafür sorge, dass Städte wie New York zum »multikulturellen Inferno« würden.
Mahlers Äußerungen dürften auch Auswirkungen auf das NPD-Verbotsverfahren haben. Für ein Verbot muss der Partei eine »kämpferisch-aggressive Haltung« gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung nachgewiesen werden, was nach diesen Kommentaren Mahlers nicht schwer fallen dürfte.
Dennoch ist es nichts Neues, dass sich die neonazistische »Argumentation« gegen die US-Politik und »die Globalisierung«, vor allem aus dem Fundus antisemitischer Propaganda speist. In den letzten Monaten - lange vor den Angriffen auf die USA - zeigte sich, dass Neonazis ihren Antisemitismus immer frecher öffentlich zur Schau stellen. So tragen beispielsweise Neonaziaktivisten aus dem Umfeld der Berliner Kameradschaft Germania bei Aufmärschen bevorzugt zwei Stoffstücke mit sich herum: Ein Transparent mit der Aufschrift »gegen den zionistischen one-world-Terror« und eine Palästina-Fahne.
Während sich die anti-amerikanischen Vernichtungsphantasien der extremen Rechten in den Tagen nach den Anschlägen zunächst vor allem in Sprühereien niederschlugen, verschärfte sich zugleich die rassistische Hetze. So setzte etwa die rechtsextreme DVU in der Endphase des Hamburger Wahlkampfs verstärkt auf die Agitation gegen »die total verrückte Ausländerpolitik« des Hamburger Senats. In einem Flugblatt mit der Überschrift »Terror-Alarm« heißt es: »Die DVU hat prophezeit: Unkontrolliert Ausländer rein - das schleppt uns auch den Terror rein.«
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der rechtsextremen Republikaner, Rolf Schlierer. Er verlangte in einer Pressemitteilung alle »Mitglieder und Funktionäre islamischer Organisationen, die nicht uneingeschränkt auf dem Boden unseres Rechtsstaats und unserer Verfassung stehen«, auszuweisen. Zu den Ereignissen in den USA meldete sich auch der NPD-Bundesvorstand mit kaum verhülltem Anti-Amerikanismus zu Wort: »Wer Wind sät, wird Sturm ernten«, lautet die Schuldzuweisung an die USA, die seit ihrer Gründung »eine imperialistische Politik« betrieben habe.
Die Aktivitäten der NPD erschöpfen sich jedoch nicht in der Veröffentlichung von Hetz-pamphleten. Am 13. Oktober plant die Nazi-Partei einen Aufmarsch im schleswig-holsteinischen Flensburg. »Dem US-Imperialismus entgegentreten, damit Hass und Terror ein Ende haben«, lautet die zynische Parole. Kenner der Szene rechnen überdies damit, dass sich extreme Rechte nicht nur mit eigenen Demonstrationen und Veranstaltungen begnügen werden, sondern versuchen dürften, an den Aktivitäten der sich formierenden Anti-Kriegs-Bewegung teilzunehmen.
Die apokalyptischen Phantasien mancher bürgerlicher Politiker und der Slogan vom »Krieg der Kulturen« scheinen bei den militanten Neonazis vor allem den Wunsch nach einer Eskalation zu wecken. Wenn etwa der Neonazi-Anführer Christian Worch wie in Frankfurt/Oder mit dem Goebbels-Zitat »Wollt ihr den totalen Krieg?« jugendliche Rechtsextremisten auf eine Position der Neutralität Deutschlands in dem sich abzeichnenden Konflikt zwischen den USA und Afghanistan festlegen will, werden bei den Sympathisanten durchaus gewollte Assoziationen erzeugt. Schließlich hatte schon der verurteilte Rechtsterrorist Peter Naumann am 1. September in Leipzig vor rund 1 200 Neonazis von einem »heiligen Krieg« gesprochen. Gegen wen sich dieser Krieg richten soll, hat Naumann nicht verraten.
Angesichts der steigenden Zahl antisemitischer und rassistischer Anschläge deutscher Neonazis, kann von Entwarnung nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Der momentan in einigen Bundesländern vorherrschende Repressionsdruck scheint die im harten Kern des Neonazispektrums ohnehin vorhandene Bereitschaft zu militanten Aktionen nur noch weiter anzuheizen.