Schuluniformen tragen?

Hit Me Baby, One More Time!

Ein Gymnasium reicht nicht: Alle SchülerInnen sollten Uniformen tragen. So wird zur Abweichung erzogen.

Hosen mit Bügelfalte. Gerade geschnittene Hemden. Jacketts mit Abzeichen. Röcke, die knapp unter dem Knie enden. Noch mehr Hemden. So schön könnte demnächst die Berliner Innenstadt aussehen, wenn die Schule vorbei ist, und die Schülerinnen und Schüler vor den Boutiquen die Nasen an die Schaufensterscheiben drücken. Keine Hosen mehr, die so geschnitten sind, dass der Hintern knapp über den Knien hängt, keine dieser fast schon dreieckig anmutenden Schlaghosen, keine Schlabberpullover mehr und auch keine Nietengürtel. Die Pflicht zur Schuluniform würde zumindest für eine Hälfte des Tages das ästhetische Elend beseitigen, das Pubertierende und Postpubertierende in die Berliner Straßen tragen.

Aber das ist noch nicht alles. Den erzieherischen Wert der Schuluniform gilt es ebenfalls nicht zu unterschätzen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Man werfe etwa einen Blick nach England. Dort tragen alle SchülerInnen Uniformen und diese Pflicht zum Einheitslook hat die schönsten Folgen. Das ganze Land ist style-besessen wie kein anderes. Denn wer die Hälfte seiner Wachzeit damit zubringt, Klamotten zu tragen, die die Autorität für ihn ausgewählt hat, bekommt schon früh ein deutliches Gefühl für die machtdurchwirkte Zeichenhaftigkeit von Kleidung. Es folgen kleine Akte der Aneignung. Das versetzte Zuknöpfen des Hemds etwa. Oder das Hochstellen des Kragens.

Wo sich deutsche Sechzehnjährige vor allem den Kopf darüber zerbrechen, ob sie rote oder schwarze oder weiße Schnürsenkel in ihre DocMartens ziehen sollen oder beides - etwa die roten Schnürsenkel in den rechten Schuh und die schwarzen links -, lehrt die Pflicht zur Uniform an den britischen Schulen die hohe Schule des Subtilen. Keine einfachen Mode/Politik-Gleichsetzungen bei der Wahl der Schnürsenkel mehr wie das rot-ist-Kommunismus-schwarz-ist-Anarchie-weiß-ist-Nazi-System an den deutschen Schulen, sondern komplizierte Verweissysteme, die für den Außenstehenden nicht zu entschlüsseln sind.

Wer durch diese Schule gegangen ist, der trägt in seiner Freizeit keine Klamotten, ohne zu wissen, warum dieses Hemd so aussehen muss und jene Hose so. Zwar glauben die Verantwortlichen des Berliner Modellversuchs, wenn sie die Schüler in Uniformen stecken, würden sie den Markenwahn und das Bedürfnis nach Differenz bekämpfen, das Gegenteil ist aber der Fall. Wer gezwungen wird, eine Schuluniform zu tragen, entwickelt ein bewusstes Verhältnis zu seiner Kleidung.

Aber das ist noch nicht alles. Die Einführung von Schuluniformen ist auch deshalb zu befürworten, weil sie die gesamtgesellschaftliche Verwirrung fördert. Die Schuluniformen muten antiquiert an, weil die gesellschaftliche Tendenz scheinbar in die entgegengesetzte Richtung zeigt. Überall wird angemahnt, das Individuum habe flexibel, dynamisch und anders zu sein. Dem scheint die Pflicht zur Uniform zu widersprechen, macht sie doch alle gleich. De facto befördert sie jedoch das Gegenteil. Eskapismus und wilde Übersprungshandlungen können die Folge sein, wenn in den Zwang zur Individualität auf einmal die Pflicht zur Uniform implementiert wird.

Zu guter Letzt: Es ist ja nicht nur die Hälfte der Wachzeit, in der die SchülerInnen gezwungen werden, Uniformen zu tragen, es ist die Hälfte der Wachzeit jener Jahre, in denen sich die sexuelle Identität formiert. Etwas besseres als die Pflicht zur Uniform ist für Pubertierende gar nicht denkbar. Sie lässt sich direkt in die Pflicht zur sexuellen Devianz übersetzen. Wer also ein Land der interessanten und allgegenwärtigen sexuellen Perversion möchte, der sollte sich der Einführung von Schuluniformen nicht entgegenstellen. Von England lernen heißt siegen lernen.