Kubas bester Boxer verlässt den Ring

Kampflos unglücklich

Nicht ganz freiwillig verlässt Félix Savón, Castros treuester Boxer, den Ring. Denn der kubanische Boxsport verändert sich.

Das kubanische Boxturnier Playa Girón ist gerade zu Ende gegangen und erstmals seit 15 Jahren stand Félix Savón, Kubas Ausnahmeboxer, nicht im Ring. Er saß mit nachdenklicher Miene in der ersten Reihe und schaute zu, wie sein Nachfolger Odlanier Solís sich den Titel im Schwergewicht erkämpfte.

Der Händedruck von Félix Savón ist lasch, anders als man es von einem Schwergewichtsboxer erwarten würde. Richtig zupacken kann der 33jährige Modellathlet nämlich schon länger nicht mehr. Beide Hände sind von zwanzig Jahren Boxsport gezeichnet. Die Daumengrundgelenke rechts wie links sind geschwollen, die Kapseln verknorpelt. Auch das rechte Handgelenk der kubanischen Boxlegende weist einen abnormen Knick auf, der anscheinend von einem schlecht verheilten Bruch herrührt. Doch Savón winkt ab.

Er will es gar nicht genauer wissen. Die Verletzung, die ihm in den letzten Jahren schwer zu schaffen machte, ist alt. 1982 hat er sie sich beim Training am Sandsack zugezogen und sie dann mit Eis und Massagen behandelt. Als die Verletzung 1997 wieder aufbrach, ließ Savón sich gegen den Rat der kubanischen Sportmediziner nicht operieren. Nur unter Schmerzen konnte er während der letzten Jahre seiner Karriere boxen, und alles nur, um das hoche Ziel, den dritten Olympiasieg in Folge, nicht zu gefährden. Dafür musste er seine Ringstrategie ändern. Er konnte sich nicht mehr wie früher auf seine Explosivität, seinen Punch verlassen, musste mehr taktieren, als ihm lieb war.

Die Dominanz Savóns begann zunächst vor allem innerhalb Kubas zu bröckeln. Einige Niederlagen in den vergangen Jahren, die letzte gegen den aufstrebenden Jugendweltmeister von 1998, Odlanier Solís, haben dem nationalen Boxdenkmal einige Kratzer verpasst. Solís, dem einige Experten auch den Olympiasieg in Sydney zugetraut hätten, musste allerdings zu Hause bleiben, denn niemand wollte Savón die Chance nehmen, mit Teo Filo Stevenson, seinem kubanischen Vorbild, gleichzuziehen.

Doch nun ist es Zeit für den Ideologen des kubanischen Boxsports, der die Errungenschaften der Revolution wie kein anderer verteidigte, abzutreten und der jungen Generation Platz zu machen. Zumindest hat das der nationale Verband entschieden und sein Präsident José Barrientos hat es in einer Presseerklärung Anfang Januar bekannt gegeben. Für Savón, der noch nicht weiß, ob er Trainer oder internationaler Botschafter eines sauberen Amateursports werden will, eine schwierige Situation.

So richtig kann er sich mit dem Rücktritt noch nicht abfinden. Sicher, im Training sei er derzeit nicht, er habe Urlaub, aber das sei noch kein Grund, über seinen Rücktritt zu sprechen, so der stets nach Worten suchende Savón. Doch da er am Playa Girón nicht teilnahm, scheint es besiegelt, dass der Ausnahmeboxer, der so viele nationale und internationale Titel sammelte wie kein Boxer zuvor, nicht in den Ring zurückkehren wird. Diese Entscheidung hat ihm, wie viele vorherige auch, Alcides Sagarra abgenommen, der »Weltmeister der Boxtrainer«, wie Fidel Castro ihn einmal nannte.

Damit ist eine Ära zu Ende, denn neben Savón gehen weitere namhafte Boxer wie Hector Vinent, Doppelolympiasieger im Halbweltergewicht von Barcelona und Atlanta, oder Juan Hernández Sierra, dreifacher Weltmeister in der 67-Kilo-Klasse, in Rente. Boxguru Sagarra hat hingegen die Ringecke mit dem Stuhl des Präsidenten der nationalen Boxkommission getauscht, er macht nach 36 Jahren im Trainerstab und 27 olympischen Goldmedaillen, die unter seiner Regie erboxt wurden, Platz für Servelio Fuentes.

Fuentes gehört wie Sagarra zu den Gründervätern der kubanischen Boxschule, hat aber jahrelang Sagarra zugearbeitet, bis er sich 1994 entschloss, ein Auslandsengagement in Argentinien anzutreten. Sechs Jahre arbeitete er dort erfolgreich, bevor er im letzten Jahr nach Kuba zurückkehrte.

Anders als Sagarra, der als ausgesprochen autoritär und exzentrisch gilt, ist Fuentes ein umgänglicher Typ, der den Umbruch im kubanischen Boxsport lenken soll. Keine leichte Aufgabe, denn Typen wie Savón sind rar geworden. Schon als Junge hatte sich Savón in den Kopf gesetzt, Sportgeschichte zu schreiben. Niederlagen konnte der aus einfachen Verhältnissen stammende Champion immer schnell verdrängen. »Wichtig ist es, wieder aufzustehen, weiterzumachen und mit Kraft und Siegeswillen zurüchzukehren«, so seine Devise. Damit ist der sechsfache Vater, der in der Nähe des Flughafens von Havanna wohnt, immer gut gefahren.

Nie hat er einen Revanchekampf verloren und sein Können hat ihm auch einige verlockende Angebote eingebracht, Profi zu werden. Fünf, zehn und mehr Millionen Dollar für einen Profikampf hat Savón jedoch grundsätzlich lächelnd ausgeschlagen und damit Don King und andere Boxpromoter zur Verzweiflung gebracht. »Dem Geld hinterherzulaufen und Kuba zu verlassen, habe ich nie in Erwägung gezogen«, sagt er. »Meinem Land, der kubanischen Flagge und Fidel treu zu sein, war mir immer wichtiger.«

Allerdings haben sich die Lebensverhältnisse in Kuba in den vergangenen Jahren stark verändert. Lange nicht mehr so viele Jugendliche wie früher wollen dem nationalen Idol Félix Savón nacheifern. Boxen ist in der Gunst gesunken und ein wichtiger Grund ist die Tatsache, dass sich im Amateur-Boxsport, anders als beispielsweise in der Leichtathletik oder beim Volleyball, kaum Dollarprämien verdienen lassen. Somit fehlt der Anreiz, sich über Jahre im Ring zu quälen, zumal der Lohn nicht mehr so gut ist wie früher. Die Sportler der zweiten Garnitur, und dies gilt auch für den Nachwuchs, genießen kaum noch Vorteile.

Mit verbesserter Nachwuchsförderung will der kubanische Verband dem Problem begegnen und auch mit vermehrten Auslandsreisen, die für alle kubanischen Sportler sehr interessant sind; denn mit einigen Kistchen Havannas lässt sich ein gutes Zubrot verdienen. Ein Anreiz, der vielleicht zur rechten Zeit kommt für die talentierten Boxer, die Jugendtrainer Pedro Roque Jahr für Jahr präsentiert.

Odlanier Solís, der recht souverän die Nachfolge Savóns antritt, stammt aus seinem Kader. Gleiches gilt für den derzeit besten kubanischen Boxer, Mario Kindelán, der in Sydney Gold holte und sicherlich an der WM in Irland im Juni teilnehmen wird. Hoffnungen auf die Irlandreise können sich auch Johanson Martínez, Inocente Fiss oder Yunier Bárzaga machen, die allesamt aus dem Kader von Pedro Roque stammen und ausgesprochen selbstbewusst auftreten.

Der Generationswechsel im Boxsport hat längst begonnen, und für Savón bleibt der Platz in den Annalen. Vielleicht sieht man ihn auch irgendwann in der Ringecke wieder, denn als Botschafter und Redner taugt er nicht. Zu lange sucht er nach den richtigen Worten und zu gerne lobt er die kubanische Revolution. Im Ausland ist das sicherlich nicht sonderlich gefragt.