Konservative und Ausländerpolitik

Last Exit Racism

Wo Gerhard Schröder Unrecht hat, hat er gründlich Unrecht: »Das Thema Zuwanderung eignet sich nicht dafür«, meinte der Kanzler letzte Woche, »es mit dem Holzhammer zu behandeln.« Unsinn: Kaum ein anderes Thema eignet sich so gut für den Wahlkampf nach Zaunpfosten-Art, das dürfte der Mann eigentlich wissen, der sich im Sommer 1997 mit markigen Sprüchen wie »Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: raus, und zwar schnell!« erfolgreich als Kanzlerkandidat empfahl.

Umgekehrt funktioniert die Sache auch. Das zeigte Roland Koch, der es vergangenes Jahr mit nicht viel mehr als einer rassistischen Unterschriftenkampagne und der aus seinem Munde besonders glaubwürdigen Aussage, dass in der Bildungspolitik etwas im Argen liege, zum Ministerpräsidenten des sozialdemokratischen Stammlandes Hessen brachte. Wenn einer sonst nichts zu bieten hat, dann reicht es, wenn er das Angebot des Rassismus macht. Das darf Friedrich Merz zwar nicht aussprechen, aber selbstverständlich weiß er es.

Denn spätestens seit der Wirtschaftsfachmann oberster Wahlkampf-Manager der Union ist, dürfte er sich eine Menge Gedanken über den Unique Point of Sale der Konservativen gemacht haben. Bislang war das fast überall in Europa das Versprechen, in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht für Stabilität zu sorgen. »Die Linken«, hieß es - und gemeint war natürlich die Sozialdemokratie - »verkaufen das Tafelsilber.« Sollte heißen: Keynesianismus rechnet sich nicht, gefragt ist Verschlankung, denn nur wenn die Volkswirtschaften solvent bleiben, kann auch in Zukunft noch ein - wenn auch reduziertes - Maß an Umverteilung stattfinden.

Das sehen mittlerweile auch die Sozialdemokraten so: Sie haben Sozialleistungen und Staatsausgaben reduziert und konnten dabei noch auf die Schuldenberge deuten, welche die Konservativen hinterlassen hatten, als sie Mitte der Neunziger in ganz Europa abgewählt wurden.

Traditionelle Konservative hätten auf eine solche Situation reagiert, indem sie die Bedeutung wirtschaftlicher Fragestellungen zurückgenommen und statt dessen die angebliche Gefährdung überkommener Werte thematisiert hätten. Aber diese Möglichkeit haben sich die modernen Konservativen verbaut. Denn in einem letzten Versuch, doch noch den veränderten Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht zu werden, haben sie, als ihre Vormacht in Europa schon zu bröckeln begann, eilends noch Werte wie Mobilität, Flexibilität und Kosmopolitismus auf ihre Fahnen geschrieben. Und die passen eher schlecht zusammen mit Heimatverbundenheit, Tradition und Patriotismus.

Gewiss ist die rassistische Variante des Populismus nicht der einzige Ausweg aus diesem Dilemma, aber bislang hat sie sich - siehe Koch oder auch die ungeheuren Popularitätsgewinne der britischen Konservativen nach ihrer Konzentration auf die Ausländerpolitik - als die erfolgreichste erwiesen. In ganz Europa arbeiten Konservative des bürgerlich-liberalen Flügels an einer modernisierten Variante des Konservatismus, die sich auf das rassistische Standardmaß beschränkt und versucht, die Erfordernisse der New Economy mit einem restaurierten Wertkonservatismus zur Deckung zu bringen.

Langfristig könnte sich diese Variante als die mehr Erfolg versprechende erweisen, vor allem weil sie im Gegensatz zur Abschottungspolitik eines Merz oder eines Beckstein in der Lage ist, die Unterstützung der avanciertesten Teile des Kapitals zu mobilisieren. Doch davon werden die stummen Subjekte der Ausländerpolitik - diejenigen Flüchtlinge nämlich, für die es eine Frage des Überlebens wäre, in Europa aufgenommen zu werden - nichts merken. Irgendwann aber, wenn die Süssmuth-CDU sich mit der Schily-SPD und den Schlauch-Grünen geeinigt hat, kommt wohl doch eine Einwanderungsquote. Und dann wird für jeden von der Wirtschaft benötigten Computer-Ukrainer ein Sudanese weniger ins Asylverfahren genommen werden.