Vor 60. Jahren scheiterte Georg Elsers Hitler-Attentat

Die Bombe des Laien

Am 8. November 1939 zündete Johann Georg Elser im Münchener Bürgerbräukeller eine Bombe, die Hitler töten sollte. Diese Tat fand auch an ihrem sechzigsten Jahrestag nur geringe Beachtung. Die Frankfurter Rundschau allerdings druckte zum Beweis, dass Elser ein besonderes Gedenken nicht verdient habe, die Antrittsvorlesung eines Privatdozenten Lothar Fritze an der TU Chemnitz. Zwar war der Tyrannenmord im Falle Hitlers moralisch gerechtfertigt, hieß es da, aber nicht Elser hätte Hitler töten dürfen und vor allem nicht so, wie er es versuchte.

Bekanntlich entging Hitler dem Attentat, weil er das Lokal dreizehn Minuten früher als geplant verließ, acht "Unschuldige" (Fritze) resp. "eine Kellnerin und sieben Nazis" (Rolf Hochhuth) jedoch wurden getötet. Diese Möglichkeit hätte Elser vorhersehen und ausschließen müssen. Denn wo kämen wir hin? Zur "Legitimierung von Leichtfertigkeit, Unbedachtsamkeit und Mitleidlosigkeit - sofern sich die Täter nur aufmachen, ein besonders hehres und großartiges Ziel zu erreichen".

Doch selbst wenn Elser, um jeden Kollateralschaden zu vermeiden, Hitler mit den Händen erwürgt hätte, müsste man ihm vorhalten, er habe "seine politische Beurteilungskompetenz überschritten". Denn was es mit Hitler auf sich hatte, konnte man im November 1939 noch gar nicht wissen. Hitler bedeute Krieg, glaubte Elser. "Konnte aber ein Durchschnittsbürger", fragt Fritze, "nach dem Münchener Abkommen im Herbst 1938 (als Elser mit Vorbereitungen bereits begonnen hatte) begründet mutmaßen, dass ein Krieg, für den Hitler verantwortlich sein wird, 'unvermeidlich' sei? Dies erscheint durchaus fraglich - vor allem, wenn es sich um jemanden handelt, der - so die Selbstauskunft Elsers - wenig Ahnung von der nationalsozialistischen Ideologie hatte, der sich offenbar niemals mit einschlägigen Büchern oder Zeitschriften beschäftigte und sich mit politischen Fragen nie eingehend befasst hat." Es hätte also, um Hitler zu ermorden, mindestens einen Privatdozenten der TU Chemnitz gebraucht.

Weil Elser, als er das Attentat plante, schon zu wissen glaubte, was er noch gar nicht wissen konnte, was aber, bevor er seinen Plan ausführte, tatsächlich eintrat, weigert sich Fritze, "Elsers Entscheidung als Resultat einer kenntnisreichen, sachorientierten und nüchternen politisch-moralischen Kalkulation zu begreifen". Und es kommt noch schlimmer: Elser war nicht nur schon 1938 gegen Hitler, seine "gegnerische Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus datierte von vor 1933", d.h. sie kann aus nicht viel mehr als bloßem Vorurteil bestanden haben.

Rolf Hochhuth sieht den Fall Elser ein wenig anders. Im Berliner Haus der Adenauer-Stiftung las er eine dreißig Jahre alte Gedenkrede, in der Elser als "der eindrucksvollste Deutsche des Jahrhunderts" gewürdigt wird. Die Frage, warum er dennoch vergessen ist, lässt sich mit Lothar Fritze kaum beantworten. Am selben Ort hatte wenige Tage zuvor Günter de Bruyn aus einem Buch vorgelesen, in dem sich auch der Satz findet: "Das wahre Verhältnis Preußens zu Hitler wurde erst am 20. Juli 1944 deutlich, als der Versuch zur Korrektur vieler Irrtümer auf tragische Weise misslang." Darüber hätte man reden können. Leider war Hochhuth der Adenauer-Stiftung böse und verließ das Lokal einige Minuten früher als geplant.