Gangsta-Proll und Pöbelprotz

Stumpfheit siegt: Rapper Master P versucht sich in "I Got the Hook-Up" als Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent

Über Los Angeles scheint die Sonne, Kleinkriminelle und Tagediebe wischen sich müde den Schweiß aus der Stirn. Zwei Frauen schieben mit einem Einkaufswagen einen schweren Fernseher vor sich her, sie kauen Kaugummi, launig spucken sie Schimpfworte auf die löchrige Straße. Ein einsames Auto schnurrt an ihnen vorüber. Nebenan ist ein Flohmarkt, der Flohmarkt ist der Arbeitsplatz von Black und Blue.

Von der Ladefläche eines Lieferwagens herab betreiben sie ein Einzelhandelsgeschäft mit handlichem Diebesgut. Gleich werden die zwei Frauen sich laut über das defekte Fernsehgerät beklagen, noch später wird ein verwirrter Lieferant ihnen versehentlich eine Wagenladung Handys aushändigen und froh darüber sein, aus der miesen Gegend bald wieder verschwinden zu dürfen. Black und Blue werden sich sorgenvoll der Handys annehmen und sie ihrer eigentlichen Bestimmung zuführen.

So nimmt die Geschichte ihren Lauf. Eine Geschichte über Armut, Geschäftsstrategien, HipHop und Telefone in den Ghettos amerikanischer Großstädte, eine über die hohe Kunst, aus Stumpfsinn Gold zu machen.

Doch die Geschichte beginnt schon Jahre vorher. Denn einst wechselte Percy Miller unter dem Namen Master P in seinem kleinen Plattenladen No Limit Records von der Registrierkasse ans Mikrofon und nahm in Eigenregie sein Debüt "The Ghetto's Tryin' to Kill Me" auf. Mühsam verkaufte er die Aufnahme, aus seinem Laden heraus, aus dem Kofferraum seines Autos, auf Konzerten. Er landete einen Achtungserfolg. Danach folgte "Ways to Die", später produzierte er Platten von Silkk The Shocker, von C-Murder und Snoop Dogg.

Heute erstrahlt der kleine Plattenladen im Glanz des in den USA derzeit erfolgreichsten Independent HipHop-Labels, stabil und trotzig auf den Säulen Gangsta-Proll, Bumsballerbeats und Pöbelprotz errichtet. Studentischen Blaßnasen mitteleuropäischer Bauart, die ihre Dosis Indie-Hop schon zum Frühstück aus den trüben Label-Tassen Rawkus, Asphodel, Wordsound etc. genießerisch schlürfen, verursacht die No Limit-Produktpalette allerdings spontanen Juckreiz.

Denn No Limit-Stumpfness steht unter dringendem Kommerzialitätsverdacht. Und Kommerzialität kann nicht underground sein und damit auch nicht independent. Zwar gehört "Make Money! Make Money!" zu den ältesten HipHop-Schlachtrufen, immerhin zählen "Paid in Full","Hard to Earn" und "Strictly Business" zu den berühmten Titeln einer langen Liste geschäftsorientierter HipHop-Alben. Dennoch: Es könnte sein, daß Master P HipHop an die Charts verraten hat.

Und wo kommen wir denn hin, wenn der Neger aus dem Ghetto plötzlich sein eigenes Geld verdienen will? Denkt sich die mitteleuropäische Blaßnase, lehnt sich in sein elternfinanziertes Geisteswissenschaftsstudium zurück und erinnert sich noch daran, daß Master P jetzt nicht nur Filme dreht, sondern auch noch ein Telefonsexunternehmen unterhält.

Womit wir wieder bei "I Got the Hook-Up" wären. Black und Blue verteilen also die Telefone in Windeseile in ihrem Stadtteil, Dollars wechseln bündelweise die Besitzer, irgendwelche notwendigen Codes (Chip-Codes, Pin-Codes, Netzeinwahl-Codes, etc.) werden unter geschickter Handhabung simpler Lötkolben irgendwie geknackt, die Telefonnummern liefert Blacks Freundin, die bei der zuständigen Telefongesellschaft arbeitet.

Bald sieht man von der Oma bis zum Schuljungen alle kostengünstig telefonieren, was auch ganz praktisch, nett und kundenfreundlich wäre, würde nicht daraufhin das arg strapazierte Telefonnetz und damit auch die Handlung zusammenbrechen. Anlaß genug für Master P, seine zwei Helden Black und Blue von nun an in einem fort durch den Film rennen zu lassen, auf der Flucht vor dem FBI, der örtlichen Mafia, wichtigtuerischen Kleinkriminellen, der erbosten Kundschaft und dem vermeintlichen Sinn, der vielleicht, wohlmöglich, unter Umständen über dem Film kreist wie ein Geier über dem Tümpel. Also Unfug, oder was?

Nun, zumindest Autor Darius James ("Negrophobia") hat sich für das HipHop-Magazin Source tief in die Bedeutungsebene des Films hineingeduckt und dabei den legitimen Nachfolger des Blaxploitation-Kinos der frühen siebziger Jahre entdeckt. Denn augenfällig und eigentümlich findet man in dieser Billigproduktion die Zutaten Musik, Trash, Krimi, Sex und seltsam durchgeknallte Erzählweise beisammen, zwanglos angereichert mit allerlei Bezügen aus der afroamerikanischen Symbolwelt.

Nicht nur, daß die beiden Protagonisten Black und Blue heißen, aber trotzdem gutgelaunt durch die Szenerie scharwenzeln, auch die schwarzen Polizisten sind hier tief im Innersten Weiße, was sie bei einem flotten Demaskierungsspielchen gegen Ende des Films beweisen. Plötzlich reißen sich alle die Masken vom Gesicht und wechseln überraschend die Identität. Nur der Film bleibt, wie er ist. Eigentlich nicht schlecht.

"I Got the Hook-Up", USA 1997. R: Michael Martin, D: Master P, A. J. Johnson, Gretchen Palmer, Frantz Turner, Mia X, Ice Cube, Snoop Dogg
Start: 15. Juli