Schwul-lesbische Berlinale

Coming-in

Pedro Almod-var gehörte Ende der Achtziger zu den ersten Regisseuren, die in der damals jungen Panorama-Sektion Filme mit schwulen Storys zeigten. Die von Manfred Salzgeber als Informationsschau des Internationalen Wettbewerbs aufgebaute Sektion nennt sich seit 1986 Panorama. Ein Jahr später war Almod-vars autobiographischer Film "Das Gesetz der Begierde" im Programm, mit dem er das Klischee, schwule Filmpraxis sei ausschließlich der Subkultur verpflichtet, ironisierte. Zwar waren in den Jahren davor Regisseure wie Pier Paolo Pasolini, Werner Schroeter und Rainer Werner Fassbinder mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet worden - das Gros der Berlinale-Filme aber erwähnte schwul-lesbische Themen nur am Rande.

Das änderte sich erst mit der Schaffung eines schwul-lesbischen Filmpreises. Zusammen mit Gus van Sant erhielt Almod-var 1987 den ersten Teddy. Von van Sant hört man, daß er inzwischen Hollywood-Drehbücher verfilmt, Almod-var dagegen hat sich von den schrillen exzessiven Dramen wie "High Heels" (1991) vorerst abgewandt, ohne jedoch seinen persönlichen Stil aufzugeben.

Indirekte Folge auch der Präsenz schwuler und lesbischer Charaktere in den Panorama-Beiträgen dürfte der Goldene Bär 1993 für Ang Lees "Das Hochzeitsbankett" gewesen sein. Die taiwanesisch-amerikanische Co-Produktion über ein binationales schwules Paar wurde übrigens von James Schamus co-produziert, der auch als Produzent an dem mit Abstand innovativsten Beitrag des diesjährigen Panoramas beteiligt ist.

Regisseur Kutlug Ataman drehte seinen dritten Spielfilm in der Berliner türkisch-deutschen Schwulen- und Transenszene. "Lola und Bilidikid" ist nicht der x-te campige Fummelträger-Film. Hier feiert sich nicht Szene selbst, sondern wird eher mit ihren Widersprüchen konfrontiert. Im Unterschied zur Logik eines Coming-Out Films ist "Lola und Bilidikid", auch wegen seiner Nebenhandlungen, nicht auf ein Happy End angewiesen, das von Widersprüchen befreit.

Angefangen mit "Go Fish" von Rose Troche (1994) und dem Fake-Documentary "Watermelon Woman" (1996) von Cheryl Duny bis zum lesbischen Riot-Girl-Märchen "All Over Me" (1997) liefen Mitte der Neunziger die ersten Spielfilme mit lesbischer Thematik im Panorama. Daran versucht in diesem Jahr "Better than Chocolate" anzuknüpfen, liefert aber nur um Scene credibility bemühte Unterhaltung.

Der Dokumentarfilm "The Man Who Drove With Mandela" reiht sich in die Folge der Dokumentar-Epen, wie sie seit "Before Stonewall" (1985) immer wieder abgedreht wurden. Das Porträt des Theatermannes Cecil Williams, der Anfang der Sechziger mit dem Bürgerrechtler Nelson Mandela durch Südafrika reiste, krankt an der bis zum Überdruß bekannten Machart aus kompiliertem historischem und heutigem Dokumentarmaterial, das chronologisch die Vorgänge abhandelt, aber formal keine Überraschungen bietet.

Ähnlich Monika Treuts Dokumentarfilm "Gendernauts", der die These vertritt, diverse sexuelle Identitäten und die Veränderung durch Hormone erzeugten eine virtuelle Körperlichkeit. Mit Treuts Film, worin vor allem transsexuelle Frauen zu Wort kommen, setzt sich der Trend zur Diversifizierung jenseits der Zuordnungen "schwul" und "lesbisch" fort. Manko bleibt bei "Gendernauts" allerdings, daß dem futuristischen Inhalt die traditionelle Form der Aufeinanderfolge von Interviews und Dokumentaraufnahmen entgegensteht. Damit haben sich im Panorama inzwischen filmische Traditionen etabliert, die Langeweile verheißen.