Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

Udo Lattek ist Deutschlands erfolgreichster Vereins-Fußballtrainer

Das ganze Politikgequatsche um das Spiel war mir total wurscht. Und die Niederlage auch. Ich war ja im Stadion - als Beobachter fürs ZDF - und mußte mir das Elend ansehen. Ich dachte mir, naja, ein kleiner Ausrutscher, ein Dämpfer zur richtigen Zeit. Und ich lag genau richtig: Nach dem Crash von Malente war die Überheblichkeit weg aus dem Team und wir wurden Weltmeister. Reine Willenssache.

Daß die aus der DDR Fußball spielen konnten, war für mich nichts Neues. Ich hatte ja als Bayern-Trainer oft genug gegen DDR-Mannschaften gespielt. Zäh und verbissen waren die, aber leider völlig unkreativ. Lag wohl am System. Torwart Croy war allerdings eine Granate, für mich einer der besten Torhüter des Jahrhunderts.

So schön der WM-Titel war, ich persönlich hatte ganz schön zu leiden. In der Nationalmannschaft spielten ja sechs meiner Bayern München-Spieler: Maier, Beckenbauer, Schwarzenbeck, Breitner, Hoeneß und Müller. Und die waren in nur einem Jahr Deutscher Meister, Europapokalsieger und Weltmeister geworden. Schon Wahnsinn! Aber was passierte? Nur noch Autogrammstunden, Werbetermine, Freundschaftsspiele auf der ganzen Welt. Wegen der Kohle. Wo hätte ich da, bitteschön, trainieren sollen? Im Zug? Oder etwa auf dem Flugplatz?

Es kam, wie es kommen mußte: Erstes Saisonspiel gegen Kickers Offenbach: 0:6. Kickers-Trainer damals: Otto Rehhagel. Seitdem sind wir Feinde. Ich habe mir das Spielchen noch eine Weile angeschaut. Im Herbst bin ich dann zum damaligen Präsidenten. "Herr Neudecker", habe ich gesagt, "so geht das nicht weiter. Es muß etwas passieren." "Ja", antwortete der, "es passiert auch was. Sie sind entlassen!" Naja, ich hab's überlebt.