Cocktail für eine Leiche

Achtzig Jahre nach Gründung der Kommunistischen Partei Österreichs feiern die Kummerln eine Institution, die eigentlich gar nicht existiert

Schon die schmucken Einladungskärtchen ließen ahnen, mit welchen Problemen die KPÖ zu kämpfen hat: "80 Jahre KPÖ - und sie haben noch nichts von uns gehört?" Tatsächlich haben trotz des imposanten Alters bisher nur wenige von der KPÖ gehört, und, was noch schwerer wiegt, immer weniger wollen von ihr hören.

Bei den letzten Nationalratswahlen heimste die Partei gerade einmal 0,29 Prozent der Stimmen ein. Nur in Österreichs zweitgrößter Stadt, Graz, liegt sie in der Wählergunst oberhalb der Wahrnehmungsgrenze bei etwa 8 Prozent.

Das bedeutet allerdings nicht, daß in Graz unverhältnismäßig mehr Kommunisten lebten als im restlichen Bundesgebiet, sondern liegt am Engagement des Gemeinderats Ernst Kaltenegger. Der nimmt seit Jahren die Rolle eines Ombudsmanns ein, hilft in Not geratenen Mietern bei ihren Wohnungsproblemen und äußert sich auch mal

kritisch über seine Genossen in der Wiener Parteizentrale. Um etwaigen Konfrontationen von vornherein aus dem Weg zu gehen, erschien der erfolgreichste Kommunist der Alpenrepublik zur Geburtstagsfeier seiner Partei gar nicht erst.

Dafür begegnete man am vergangenen Wochenende einigen Polit-Fossilien aus den besseren Tagen der KPÖ. Wie dem ehemaligen Langzeitvorsitzenden Franz Muhri z. B., der sich jedoch weniger in hochpolitische Diskussionen verstrickte, sondern mehr damit beschäftigt war, den Ausgang zu finden. Immer wieder kehrte Muhri zurück ins Innere der Gastgewerbeschule, die sich in einem der dunkelsten Winkel Wiens befindet. Für die von Mitgliederschwund akut bedrohte Partei besitzen die Räumlichkeiten im Bezirk Meidling historische Bedeutung. Vor sieben Jahren stellte im selben Saal, wo diesmal Musikgruppen aufspielten und Bierkrüge gestemmt wurden, die damalige Parteivorsitzende Susanne Sohn das weitere Bestehen der KPÖ in Frage und beantragte die Selbstauflösung der KPÖ. Doch der zukunftsweisende Antrag der Parteivorsitzenden fand keine Mehrheit.

Das Problem der KPÖ ist offensichtlich: Sie konnte sich nie ganz von Stalin lösen. Das Ende der Sowjetunion überraschte den Parteiapparat und ließ ihr Weltbild zusammenkrachen: Noch bis zur Auflösung der Sowjetunion wurde dem real nicht mehr existierenden Sozialismus gehuldigt. Als Staatskommunisten in Moskau im August 1991 gegen Gorbatschow putschten, stellte sich die KPÖ auf die Seite der letzten Aufrechten.

Dabei hätte die Partei seit der Gründung der II. Republik am 27. April 1945 eine hervorragende Basis gehabt, reale Macht zu erlangen. Damals gehörten die Kommunisten zu den drei Signatarparteien des österreichischen Gründungsdokumentes. In den ersten Parlamenten waren die Kommunisten gar in der Regierungsverantwortung. Doch das änderte sich, als sie 1951 einen Putsch anzettelten, der allerdings schon wieder beendet war, bevor er so richtig begonnen hatte.

Von diesen historischen Altlasten konnten sich die - im Österreichischen "Kummerln" genannten - Kommunisten nie befreien. Heute besteht die Partei bloß noch aus einem Apparat, der eher einer Parlamentspartei zustehen würde. In jedem Bundesland gibt es einen eigenen Vorsitzenden, wobei dieser seine Wähler allesamt persönlich kennen dürfte. Denn bei landesweit knapp 5 000 Parteimitgliedern und 15 000 Wählern ist persönliche Betreuung garantiert.

In den glorreichen Tagen der KPÖ, in den fünfziger Jahren, zählte man etwa 175 000 Wähler - "weil sie hofften, sich bei einer Machtpartei einzuschreiben", sagt der jetzige KP-Vorsitzende Walter Baier. Nach 1955 war der Spuk dann vorbei.

Heute geistern in den Köpfen der Partei-Oberen nur noch die Milliarden-Schilling-Beträge herum, die nach wie vor in Deutschland "festgehalten" (Baier) würden. Seit Jahren prozessiert die KPÖ mit der zum deutschen Finanzministerium gehörenden Treuhandanstalt / BvS um ein Vermögen von 1,1 Milliarden Schilling (etwa 150 Millionen Mark) aus alten DDR-Geschäften. Und es sieht tatsächlich ganz gut aus für die Austro-Kommunisten. Dann wird die KPÖ endgültig die reichste Partei im zentraleuropäischen Raum sein.

Daß die Genossen in Österreich auch ohne die derzeit noch eingefrorenen Milliarden nicht am Hungertuch nagen müssen, beweist die Existenz eines eigenen Zentralorgans - der wöchentlich erscheinende Volksstimme. Bis 1991 Tageszeitung, nimmt die Volksstimme heute einen ähnlichen Stellenwert ein wie die Partei selbst. Das Blatt ist nicht am Kiosk erhältlich, sondern wird an Selbstbedienungsständern öffentlich ausgelegt. Die Zahl der Abonnenten liegt noch weit unter der Anzahl der Parteimitglieder.

Die Volksstimme beschäftigt zwei Redakteure und einen Pauschalisten, der für Interviews und Reportagen zuständig ist. Der Marketingchef der Volksstimme ist im Zivilberuf eigentlich Klempner, der das 16seitige Blatt dementsprechend professionell vermarktet. Als Chefredakteur und Starkolumnist in Personalunion fungiert KPÖ-Vorsitzender Walter Baier. Daß er dennoch nicht gerade mit seiner Zeitung mitfiebert, beweist eine Anekdote aus der Redaktion: Im Frühling dieses Jahres wurde Peter Böhm, Afrika-Korrespondent von Volksstimme, taz und Jungle World, von Laurent Kabilas Truppen im Kongo festgenommen. Als der Ressortleiter für den Bereich Ausland den Parteichef um Intervention zugunsten des Journalisten bat, antwortete der Vorsitzende: "Wer ist der Mann? Noch nie von ihm gehört."

Kommunisten reden viel und sie reden sehr kompliziert. So fragte kürzlich ein Volksstimme-Leser, wann die Zeitung denn endlich was über "uns Arbeiter" schriebe. Tut sie nicht. Warum sollte sie auch? Schließlich gibt es interessantere Themen als den Klassenkampf. Tennis z. B., das den Terminkalender des Vorsitzenden in Anspruch nimmt.

Die Funktionärsquote unter den Gästen lag bei geschätzten 75 Prozent. Von prominenten Ehrengästen war jedoch nichts zu sehen. Lediglich die mittlerweile 103jährige Architektin Margarethe Schütte-Lihotzky stattete der geschlossenen Gesellschaft einen Kurzbesuch ab. Elfriede Jelinek oder auch Alfred Hrdlicka, beide Mitglieder, blieben der Veranstaltung fern. Im Eingangsbereich waren die Glückwunschtelegramme aus aller Welt ausgehängt.

Lothar Bisky brachte es dabei auf den Punkt: "Frei nach Robert Musil wird in Österreich ein Genie manchmal für einen Trottel gehalten. Aber nicht umgekehrt, wie bei uns in Deutschland." Es könnte sein, daß manche Funktionäre der KPÖ Anlaß bieten, diese österreichische Tradition zu durchbrechen.