Meciars Medien-Manipulationen

Kurz vor den slowakischen Parlamentswahlen fürchtet Premier Vladimir Meciar um seine Wiederwahl

Seit Dienstag vergangener Woche spielten sich vor der Zentrale des slowakischen privaten TV-Senders Markiza in Zahorska Bystrica in der Nähe Bratislavas dramatische Szenen ab. Tausende Slowaken belagerten Tag und Nacht das Gebäude und verteidigten es gegen im Stundentakt anrückende Schlägertrupps eines privaten Sicherheitsdienstes, die ebenfalls versuchten, ins Haus zu gelangen. Die Gorillas handelten im Auftrag des slowakischen Firmenkonsortiums Gammatex, das auf diese Weise ihre neu erworbenen Eigentumsrechte am Sender durchzusetzen trachtete.

Ein Gericht in Bratislava hatte den Gammatex-Leuten in der vorvergangenen Woche 51 Prozent der Anteile an Markiza zugesprochen. Nach dem Gerichtsbeschluß muß sich nun der bisherige Mehrheitseigentümer, das US-amerikanische Konsortium CME des Parfüm-Erben Ronald Lauder, mit 49 Prozent der Anteile begnügen.

Die Umverteilung hatte direkte Konsequenzen auf Markiza: Bisher gerierte sich der Sender als extrem regierungskritisch und ließ kaum eine Möglichkeit aus, den autokratisch regierenden slowakischen Premier Vladimir Meciar medial zu verhöhnen. CME deckte die politische Linie von Markiza, doch Gammatex hatte offensichtlich weniger Sympathien für die Ambitionen der Markiza-Redaktion: Kurz nach dem Gerichtsentscheid wurde dem Sender eine Kündigungsliste erstellt, die sämtliche Mitglieder des Managements und Teile der Redaktion umfaßte.

Nachdem die Schlägertrupps von Gammatex im Anmarsch waren, unterbrach Markiza sein laufendes Programm und rief die Bevölkerung zur Verteidigung des Senders auf. Nur wenige Stunden standen Tausende vor der Markiza-Sendezentrale. Im ganzen Land brandete der Volkszorn gegen Gammatex und damit auch gegen dessen mächtigsten Protegé Meciar auf: In allen größeren Städten wurden spontan Kundgebungen organisiert. Auf Transparenten wurde Markiza mit Demokratie gleichgesetzt.

Die Protestwelle schien aus dem Ruder zu laufen, und der Premier mußte befürchten, daß der geschickt eingefädelte Eigentümerwechsel bei Markiza ihm wenige Tage vor den Wahlen noch mehr politischen Schaden zufügte.

Ergo traten die Meciar-hörigen Gammatex-Leute den Rückzug an. Die Trupps des Sicherheitsdienstes wurden wieder in die Ödnis ihrer Heime entlassen, Gammatex setzte sich mit der CME an den Verhandlungstisch. Was folgte, war eine Einigung, die eigentlich keine war. Eher schon ein Waffenstillstand mit baldigem Ablaufdatum. Gammatex bot den Kontrahenten von CME an, die Kündigungsliste zurückzuziehen und bis auf weiteres nicht in das Markiza-Programm einzugreifen. Dafür aber wurde Markiza ein Maulkorb verpaßt, wenn es um die Berichterstattung über Ereignisse ging, die den Sender betrafen: Zum anderen sollte Markiza dafür sorgen, daß die Kundgebungen vor der Sendezentrale in Zahorska Bystrica ein für allemal eingestellt würden.

Die derzeitige Situation des Senders jenseits von Gut und Böse wird wohl erst ein neuerlicher Gerichtsentscheid beheben: CME hat schon angekündigt, Berufung gegen die Übernahme der Mehrheitsanteile durch Gammatex einzulegen.

Daß diese Einigung ausgerechnet jetzt zustandekam, hat wohl mit der Nervosität der Regierung Meciar vor dem Urnengang zu tun. Die Markiza-Macher hoffen nun auf einen Wahlsieg der Opposition: "Ich glaube, daß sich Gammatex nach den Wahlen freiwillig zurückzieht und wir weiter frei berichten können", meint etwa Michal Arpas, Pressesprecher von Markiza gegenüber der Jungle World.

Obwohl der hochgewachsene Mann seit zwei Tagen kaum mehr geschlafen hat und seine Frau nur noch über das Handy spricht, spiegelt sich in seinen übermüdeten Augen die Erwartung auf einen positiven Ausgang der Misere wider. Genügend Zeit, um die Nachtruhe einzuhalten, haben indes die Demonstranten vor der Sendezentrale in Zahorska Bystrica. Sie, die seit Tagen den Sender verteidigten, sind vorerst abgezogen. Wobei die Betonung auf "vorerst" liegt. Denn Transparente, Plakate und stapelweise Flugzettel vermitteln den Eindruck, als seien sie jederzeit bereit, an den Ort des Geschehens zurückzukehren und weiterzukämpfen. Die meisten kommen aus der Hauptstadt Bratislava, die nur etwa fünf Kilometer entfernt ist. Aber auch für die Menschen in Zahorska Bystrica ist der Streit um den beliebten Privatsender eine willkommene Abwechslung im relativ grauen slowakischen Alltag.

Markiza verzeichnet zur Hauptsendezeit, also täglich zwischen 18 und 22 Uhr, einen landesweiten Marktanteil von über 50 Prozent. Damit liegt er weit vor dem staatlichen Sender STV, dessen regimetreues Programm lediglich 20 Prozent der Bevölkerung vor den Bildschirm lockt. Ähnliche Hoffnungen auf freie Berichterstattung hegen wohl auch andere slowakische Medienmacher. Auf dem Weg zu unumschränkter Macht waren Premier Vladimir Meciar nach geglückter Ausschaltung der Opposition eigentlich nur noch die kritischen Medien im Weg, und dies trachtete Meciar zu lösen.

So meinte Meciar, die 18 kritischen Tageszeitungen der Slowakei durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von sechs auf 23 Prozent zur Strecke bringen zu können - dieser Vorstoß scheiterte allerdings im Parlament. In Kooperation mit dem slowakischen Geheimdienst SIS werden dagegen Journalisten immer wieder Opfer von mysteriösen Unfällen: Vor wenigen Monaten explodierte das Auto des Meciar-feindlichen Journalisten Peter Toth. Toth hatte dem SIS immer wieder vorgeworfen, an der Entführung des Sohnes von Staatspräsident Michal Kovac nach Österreich im August 1995 beteiligt gewesen zu sein. Zwei andere kritische Medienleute gerieten in Bedrängnis, als in ihrer Wohngegend in Bratislava Plakate affichiert wurden, auf denen ihnen eine Frau vorwarf, ihr "Söhnchen für Pornofilme" mißbraucht zu haben.

Eine mediale Hausmacht hat Meciar nur beim skurril-regimetreuen slowakischen Staatsfernsehen STV, das in den vergangenen vier Jahren zum Meciar-TV mutierte. In der heißen Phase des Wahlkampfes genießt Meciar auf STV beinahe unumschränkte Sendezeit, das Programm wird für Verlautbarungen des Premiers gar unterbrochen.

Kurz nach der Entführung des Kovac-Sohnes war eine Abteilung von STV gar ausschließlich damit beschäftigt, im Auftrag des Geheimdienstes Berichte über die offizielle Version der "Selbstentführung" zu basteln.

Und selbst Claudia Schiffer blieb den Slowaken auf STV nicht erspart. Vergangene Woche flog das Model in Bratislava ein, um mit dem Premier eine Autobahn zu eröffnen. Dann durfte sie sich auf STV darüber auslassen, daß es zwischen ihrem Vater und dem Premier Parallelen gebe. Weniger charmant wirkt eine mediale Initiative des Mecia-treuen Ivan Hudec: Unter Berufung auf ein Gesetz, das keinem privaten audiovisuellen Medium eine marktbeherrschende Position gestattet, will er sämtliche Privatsender des Landes verbieten lassen. Auch Markiza TV würde davon betroffen sein, ebenso wie der regierungskritische Radiosender Twist. Übrig bleiben würde nur der Meciar-freundliche Privatsender VTV.

Auf die Zeit nach der Wahl darf auch der Generaldirektor von Markiza, Pavol Rusko, hoffen. Offiziell befindet sich der erklärte Meciar-Feind seit Dienstag auf Geschäftsreise, tatsächlich aber floh er in die benachbarte Tschechische Republik. Vertreter von Markiza erklärten gegenüber dieser Zeitung, Rusko habe aus Angst vor einem Attentat des Geheimdienstes SIS das Land verlassen. Und Pressesprecher Arpas fügt hinzu: "Wenn Vladimir Meciar die Wahl gewinnt, wird Rusko vielleicht nie wieder in die Slowakei zurückkommen."