Prostitution in der DDR

Für den Fortschritt

Die Arbeit begann im November 1995 mit einem Aufruf im Berliner Wochenblatt. Uta Falck suchte nach Zeitzeugen, die über die Prostitution in der DDR Auskunft geben konnten. "Noch bevor die Zeitung in den Ostberliner Haushalten verteilt war, stapelten sich die Meldungen", schreibt die Soziologin im Vorwort zu ihrem Bericht, der den schillernden und leicht irreführenden Titel "VEB Bordell" trägt. So griffig das klingt, laut dem viel seriöser erscheinenden Untertitel soll es sich um eine "Geschichte der Prostitution in der DDR" handeln, was nun aber auch nicht stimmt

Die Neigung Uta Falcks zu Klatschgeschichten ist mit der aufgesetzten Genauigkeit schwer in Einklang zu bringen sind. Die oft hölzerne Sprache, der Nominalstil und der wissenschaftlicher Duktus wirken eher peinlich, wenn die Autorin von Deutschlands anderen Dirnen schwärmt. "Jenseits sensationslüsterner Medienberichte" ist dies laut Verlagswerbung die "Gesamtdarstellung zum Thema Prostitution", wobei Uta Falck ständig die Unvollständigkeit ihrer Ausführungen beteuert. Die Sittenwächter der DDR stellten die Prostitution in den fünfziger Jahren unter Strafe. Im Staat mit dem Fortschrittsanspruch landeten die Frauen im Knast oder im Erziehungsheim - mit dem Argument, Geschlechtskrankheiten würden die Volksgesundheit bedrohen. Weil es keine Rechtsgrundlage für die Verfolgung gab, wurde im neuen Strafgesetzbuch von 1968 die Prostitution offiziell verboten

In den siebziger Jahren änderte sich zwar nicht die Gesetzeslage, doch die öffentliche Meinung und damit auch das Verhalten der Staatsorgane. Man ließ die Huren und ihre Freier gewähren. Der ab 1974 auch DDR-Bürgern offenstehende Intershop war das Ziel der meisten Huren, und der Sex bot den Weg zur westlichen Warenwelt. Auch die Stasi sicherte das Geschäft mit dem Körper, setzte sie doch Prostituierte zur Agententätigkeit ein oder zwang Agenten zur Prostitution. So mußten sich nicht nur weibliche, sondern auch männliche und transsexuelle Mitarbeiter zum Beischlaf fürs sozialistische Vaterland bereit erklären. Ganz geheuer muß das den Kämpfern an der unsichtbaren Front aber nicht gewesen sein. Die in "VEB Bordell" ausführlich dokumentierten Berichte der DDR-Geheimdienstler zeigen ziemlich regressive Vorstellungen von Sexualität: "Der IM ist auf sexuellem Gebiet abnorm veranlagt. Neben der Prostitution unterhielt und unterhält der IM auch lesbische Verhältnisse zu anderen Frauen." Ute Falck jedoch findet auch viel Positives. Der Zonenpuff war das Paradies auf Erden! Eine Zeitzeugin berichtet: "Diese Stimmung im 'Storch' - einmalig. Sollte ein Schiff bald auslaufen, kamen alle runter von Bord. Die Philis stellten sich vorn an die Tanzfläche und begannen zu singen. Das konnten sie wirklich doll. Ringsum alle Weiber betrunken, die Kellner klatschten mit, überall lagen Flaschen. Es war wunderschön. Zum Schluß bedankten sich die Philis für alles. Diese Zeit möchte ich nicht missen." So unkommentiert wie Ute Falck möchte auch ich dieses Zitat stehenlassen

Und stünde die Arbeit nicht unter der Weihe der Wissenschaft, ich würde die Geschichten, die erzählt werden, sogar glauben

Uta Falck: VEB Bordell. Geschichte der Prostitution in der DDR. Christoph Links Verlag, Berlin 1998, 240 S., DM 38