Tiger im Tequila-Rausch

Die sogenannte Tequila-Krise, während der 1995 innerhalb weniger Wochen die mexikanische Währung zu wertlosen Papierschnipseln zerfallen war, hat nun Thailand und andere südostasiatische Staaten erreicht. Welche globale Dimension solche ökonomischen Wirbelstürme haben, läßt sich am Aufwand zu ihrer Eindämmung ermessen: Die Aktion "Pesoshield", die die USA damals zur Stabilisierung Mexikos unternahmen, kam mit einem Volumen von 50 Milliarden Dollar an Hilfskrediten etwa genau so teuer wie der "Desert-Shield" gegen Saddam Hussein. Faule Kredite können halbe Kontinente in ähnlicher Weise gefährden wie hochtoxisches Nervengas, die Bedrohung des Weltfriedens durch monetäre Explosionen ist nicht weniger groß als die durch nukleare.

Die Krise verweist darauf, daß der bisherige Erfolg der Tigerstaaten einer Münchhausiade gleichkommt: Thailands Boom wurde finanziert durch eine Auslandsverschuldung von knapp hundert Milliarden Dollar. Die damit auf Pump hergestellten High-Tech-Konsumgüter überschwemmten die europäischen und amerikanischen Märkte. Als sich aber herausstellte, daß die Preise der zur Sicherheit angegebenen Immobilien in Bangkok spekulativ überhöht und niemals zu realisieren waren, zuckten die Kreditoren zurück. Wichtiger war noch, daß die Exporterlöse einbrachen: Da der Baht an den Dollar gebunden ist, haben sich thailändische Produkte auf dem Weltmarkt analog zum Höhenflug der US-Währung verteuert. Den Dollar-Boom konnten die Asiaten aber ebenso voraussagen wie die Yankees selbst - der Greenback steigt ja nicht wegen der US-Wirtschaft, die weiter im Handelsbilanzdefizit ist, sondern aufgrund der von den Finanzmärkten erwarteten Schwäche des Euro. Nicht Unfähigkeit von Politikern und nicht Gemeinheit von Spekulanten, sondern die "invisible hand" (Adam Smith) bzw. das "automatische Subjekt" (Karl Marx) der globalen Kapitalverwertung führt zum Ruin - und paradoxerweise kann jetzt nur noch der IWF, für denkfaule Linke traditionell der Sündenbock, die Ruinierten retten.

Falls auch die IWF-Feuerwehr versagt, droht die Kettenreaktion: Japanische Banken sind Gläubiger für 60 Prozent der thailändischen und 50 Prozent der gesamten südostasiatischen Auslandsschuld. Schon jetzt sitzen sie auf hunderten von Milliarden fauler Kredite und können ihren Anlegern nur mit Mühe einreden, daß ihre Guthaben gedeckt seien - bei einem Crash von Thailand würde der ganze Schwindel auffliegen. Wenn die Kunden erst nervös werden und ihre Konten leerräumen, müßten Nippons Banken zur Erhaltung der Liquidität ihr in den USA angelegtes Kapital zurückfordern - und damit eine der wichtigsten Stützen von Clintons Wirtschaftswunder einreißen. Dies könnte, analysiert die FAZ, "zu einem Einbruch führen, der alle bisherigen Turbulenzen wohl noch weit übertreffen würde".