Gute Mine zum bösen Spiel

An Landminen verdienen die Militärkonzerne doppelt: Zuerst an der Produktion, dann an der Räumung

Seit Gründung der Bundeswehr wurden in Deutschland fast fünf Milliarden Mark für die Beschaffung und etwa eine Milliarde für Forschung und Weiterentwicklung von Landminen ausgegeben. Im Bundeshaushalt 1996 betrug dieser Posten immerhin noch 110 Millionen Mark. Die Bundesregierung gehört jedoch nicht nur zu jenen knapp 100 Regierungen, die den "Ottawa-Prozeß" (eine diplomatische Initiative Kanadas für ein internationales Minenverbot) unterstützen, sondern darüber hinaus auch noch zu jenen 21 Staatsvertretungen, die medienwirksam den Verzicht auf den Einsatz von Anti-Personen-Minen erklärt haben. Während Bundesaußenminister Klaus Kinkel sich seit der Wiener Landminen-Konferenz 1995 und den Genfer UN-Verhandlungen 1996 immer wieder als großer Minengegner präsentiert, ist die Rüstungsindustrie Deutschlands eine der einfallsreichsten und erfolgreichsten Unternehmerinnen auf dem Minen-Markt.

Der internationalen Gemeinschaft von Gutmenschen anzugehören, ohne die eigene Rüstungswirtschaft in Schwierigkeiten zu bringen, ist nicht schwer: Erstens erlauben die bisher gültigen UN-Verträge eine Übergangsfrist von bis zu neun Jahren, in der die Unterzeichnerstaaten munter weiter Minenhandel und -einsatz betreiben können. Zudem konnte man sich bislang nur auf ein Verbot einiger weniger Minentypen einigen: Von Plastikminen und fernverlegbaren Anti-Personen-Minen ohne Selbstabschalt- oder Zerstörungsmechanismus. Alle anderen Minentypen sind nach den bisherigen Vertragstexten weiterhin erlaubt. Dazu gehören sämtliche modernen High-Tech-Minen, Anti-Personen-Minen mit eingebautem Selbstzerstörungs- oder Abschaltmechanismus sowie Anti-Panzerminen, die eine Anti-Personen-Mine als Räumschutz enthalten. Nach diesen mehr als löcherigen Vorgaben, die von der Bundesregierung anerkannt worden sind, findet zur Zeit unter dem Deckmantel der Ächtung von Minen eine Umrüstung und Modernisierung der in den Industrieländern vorhandenen Minenbestände statt.

Viel Geld ist aber nicht nur mit weiterer Technologieforschung und der als Abrüstung deklarierten Um- und Aufrüstung im Minengeschäft zu verdienen, sondern vor allem auch mit der Entsorgung der tückischen Sprengkörper vor Ort. Drei US-Dollar kostet eine altmodische - sogenannte dumme - Anti-Personen-Mine im Durchschnitt, ihre Entdeckung und Räumung im Einsatzgebiet mindestens das Hundertfache. Die UNO schätzt die Kosten für die weltweite Minenräumung auf etwa 33 Milliarden US-Dollar: Ein neuer Markt im Rüstungsgeschäft. Die Internationale Kampagne gegen Landminen - ein 1992 gegründeter Zusammenschluß aus nunmehr etwa 200 Nichtregierungs-Organisationen - muß heute damit leben, daß ihre teilweise sehr erfolgreiche Arbeit ungewollt einen Modernisierungsschub bei der Minenentwicklung herbeigeführt und den Rüstungskonzernen Minenräum-Aufträge beschert hat.

Die politischen Wellen, welche die Forderungen nach einer Ächtung von Landminen geschlagen hat, sind - auch wenn keineswegs Einigkeit über ihre Umsetzung besteht - längst in die Planungen von Verteidungsministerien und Vorstandsetagen der Rüstungskonzerne eingearbeitet worden. Bei einem nicht unerheblichen Teil der Außenamtsgelder, die als "humanitäre Hilfe bei Minenräumprogrammen" deklariert werden, handelt es sich also um nichts anderes als um Subventionen für die Rüstungsindustrie und einen Beitrag zur Weiterentwicklung von Minenprogrammen. "Bei humanitären Minenräumprojekten geht es um Millionen", schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Juni 1997, "bei militärischen um Milliarden." Und die liegen im wahrsten Sinne des Wortes im Sand vergraben.

Ein Kölner Minenproduzent beschrieb freimütig den Markt, der sich auftut: "Die Entwicklung von Geräten für humanitäres Minenräumen ist nur interessant, weil sie militärische Anschlußgeschäfte verspricht. Wer UN- oder Nato-Einsatztruppen in verminten Ländern mit Pioniermitteln ausstatten darf, wird gut verdienen." (FAZ, 6. Juni 1997) Dergleichen Konzerne werden nun nicht mehr vom Verteidigungsministerium subventioniert, sondern aus den Budgets für humanitäre Projekte. In einer Fragestunde des Europaparlaments in Straßburg beantwortete am 11. Juni 1997 die amtierende Ratspräsidentin Anneke Dok van Weele die Kritik des Grünen Wilfried Telkämper (BRD) lapidar: Sie sei der Meinung, daß der gesamte Sachverstand in Europa eingesetzt werden müsse, um so schnell wie möglich zu einer Räumung der Minen zu kommen. Dabei dürfe man sich nicht allzu lange bei Verfahren aufhalten.

"Das Perfide liegt darin, daß oft dieselben Firmen, die an der Verlegung der Minen verdient haben, jetzt Schlange stehen, um an ihrer Räumung zu verdienen. Die Hilfe bleibt nur ein ineffizientes und unkoordiniertes Strohfeuer, das vor allem für die Medien der sogenannten Geberländer inszeniert wird", ärgerte sich Bischof Hermann Josef Spital aus Trier am 24. Juni 1997 in Bonn im Anschluß an ein internationales Symposium von Nichtregierungsorganisationen (NRO), bei dem Richtlinien für "Minen-Aktions-Programme aus entwicklungspolitischer Sicht" erarbeitet wurden. Spital ist Vorsitzender von Pax Christi Deutschland und Sprecher des Bundesdeutschen Initiativkreises für das Verbot von Landminen, in dem 16 Verbände aus dem Spektrum entwicklungspolitischer Organisationen zusammengeschloosen sind: Neben Pax Christi unter anderem die kirchlich angebundenen Verbände Caritas, Diakonisches Werk und Jesuiten-Flüchtlingsdienst, aber auch weltliche Vereine wie die Kindernothilfe, medico international, terres des hommes und Unicef Deutschland.

Die Tagung bezog äußerst kritisch Stellung zu den Minenräumungen nach Kinkelscher Methode. Scharf angegriffen wurde vor allem die einseitige Förderung von Großräumgerät. Große gepanzerte Minenräumgeräte werden in der Regel nach militärischen Kriterien entwickelt und sind nicht an den Bedürfnissen der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten orientiert. Nach militärischen Maßstäben gilt eine Minenräumung bereits dann als erfolgreich, wenn 80 bis 90 Prozent der Minen entfernt worden sind. Großgeräte sind zudem ungeeignet für hügeliges Gelände, für Pfade zur Wasserstelle, für brachliegendes Ackerland, für die Minensuche an Brücken und in der Nähe von Häusern - an praktisch allen Orten also, die typischerweise mit Anti-Personen-Minen unpassierbar gemacht werden. Hundertprozentige Minenfreiheit kann hier nur mühsame Handarbeit mit Detektor und Schaufeln garantieren, wie sie zum Beispiel von der britischen Mines Advisory Group (MAG) praktiziert wird. MAG bildet unter anderem in Angola, Kurdistan, Kambodscha und der Demokratischen Republik Kongo Minensucher aus und organisiert dort Aufklärungskampagnen für die betroffene Bevölkerung.

Nicht nur in Deutschland müssen nach Auffassung der Nichtregierungsorganisationen die Kriterien der Geldvergabe verändert werden. Die notwendigen Gelder sollen, so die Forderung, endlich aus den Verteidigungshaushalten genommen werden. Um den Kampf gegen den Einsatz von Landminen nicht ad absurdum zu führen, dürften die Projektgelder keinesfalls an diejenigen Unternehmen fließen, die bereits an der Produktion von Landminen verdient haben und verdienen - obgleich es verlockend sei, deren Know how werbewirksam zu nutzen. Ein frommer Wunsch, der nur begrenzt erfüllbar bleiben wird, solange es minenproduzierende Firmen gibt.

Die erste Forderung der Minengegner ist immer noch das absolute Verbot von Entwicklung, Produktion, Handel und Einsatz von Anti-Personen-Minen. In Brüssel fand vom 24. bis 27. Juni wieder einmal eine Landminen-Konferenz statt, an der Regierungsabgesandte aus gut 150 Staaten teilnahmen - 115 aktiv, rund weitere 35 beobachtend. In diesen Kreisen geht es nicht um die Feinheiten. 97 der 115 offiziell anwesenden Regierungsvertreter unterstützten während der Brüsseler Abstimmungen den "Ottawa-Prozeß" - bislang waren es nur etwa 60 Staaten gewesen. Die wichtigsten minenverlegenden Länder USA, China und Rußland blieben der Konferenz jedoch fern oder stimmten wie Griechenland, die Türkei und Finnland gegen die Ächtung und das Verbot der Anwendung von Anti-Personen-Minen.

Bei den Verhandlungen ging es neben künftiger Minenpolitik auch um die Entsorgung vergangener Schandtaten. Die USA sollen signalisiert haben, daß sie dabei wären, wenn die Verträge Korea ausließen, die Vertreter Großbritanniens haben Probleme damit, für die Räumung ihres im Falkland-Konflikt hinterlassenen Minenerbes aufzukommen. Ob sich daran bis zur nun geplanten dreiwöchigen Osloer Landminen-Konferenz im September etwas ändert, steht in den Sternen. Derweil rüstet man in deutschen Landen fleißig auf und um - je mehr Antiminen-Stimmung, desto lukrativer könnte das Schnäppchen werden.