Im Sommercamp: Mehr zeichnen, weniger tanzen

Der analoge Mann

Aus Kreuzberg und der Welt: Lieber malen statt tanzen

In unserem sogenannten German House im internationalen Dance Camp in Schweden findet eine Party statt. Ich unterhalte mich mit drei Leuten aus Hongkong. Sie berichten, dass die Repression von »mainland China« immer intensiver auf die einstmalige britische Kronkolonie übergreife. Noch dazu habe die Korruption in Hongkong eine ganz eigenständige Dynamik entwickelt. Viele Menschen verlassen die Metropole. Ein stylischer Tänzer in meinem Alter, Ende 50, plant, nach Großbritannien zu ziehen. Seine Kinder sind bereits in London.

Dance Camp in Schweden 2
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Andreas Michalke

Auch dieses Jahr sind wieder viele Tänzer:innen aus Russland im Camp, da die Reisemöglichkeiten stark eingeschränkt sind, sind es allerdings überwiegend Expats, genauso wie die Ukrainer:innen. Dann gibt es noch Murat aus Izmir, er wohnt bei uns im Haus und hat lange in San Francisco gelebt. Die meisten Tänzer:innen kommen aus Schweden, dann kommen zahlenmäßig auch schon die Deutschen. Hier treffen Menschen aus diktatorisch regierten Ländern auf diejenigen, die diese Erfahrung nicht machen müssen – und tanzen fröhlich zusammen.

Drei Bier und dann gleich krank? Das ist doch verrückt. Wenn sich das ausbreitet, geht die ganze Alkoholwirtschaft pleite.

Seltsamerweise war ich auch wieder krank, wieder ein Erkältungsvirus. Wieder war ich nach anderthalb Tagen genesen. Gleich zweimal krank in zwei Wochen? Julia meinte hingegen, es wäre der Alkohol. Ich würde einfach keinen Alkohol mehr vertragen und hätte einen Kater. Ich sage, dass das Quatsch sei. Allerdings bekomme jetzt tatsächlich immer schon Kopfschmerzen, während ich das zweite Bier trinke. Was soll das? Woher kommen diese Kopfschmerzen? Drei Bier und dann gleich krank? Das ist doch verrückt. Wenn sich das ausbreitet, geht die ganze Alkoholwirtschaft pleite.

Dance Camp in Schweden 3
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Andreas Michalke

Julia und ich malen hier die ganze Landschaft ab, wir sind ja jetzt urban sketchers. Das Folketshus, in dem alle Abendveranstaltungen stattfinden, den Strand und den Hafen von Herräng, unser Haus im Ort und den kleinen Dorfladen. Diese Leidenschaft fürs Malen und Zeichnen hat unsere Tanzleidenschaft etwas an den Rand gedrängt, wenn nicht gar ersetzt. Irgendwie doof in einem Tanzcamp, in dem alle die ganze Zeit nur tanzen und übers Tanzen reden.

Dance Camp in Schweden 4
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Andreas Michalke

Aber ich tanze besser in Berlin. Mit Leuten mit viel Tanzerfahrung, die ungefähr in meinem Alter sind, oder zumindest nicht zu weit von meinem Alter entfernt. Lindy Hop, so wie er hier getanzt wird, ödet mich an. Ich tanze tatsächlich lieber Balboa oder Swing. Ich liebe es, mich zu schneller Musik möglichst wenig zu bewegen, während es die Leute hier lieben, sich zu langsamer Musik möglichst schnell zu bewegen. Irgendwie kommen wir da nicht zusammen. Dennoch: »Heute Abend wird getanzt!« sagt Thomas, unser Hausherr. »Mimis Band spielt!«

Dance Camp in Schweden 5
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Andreas Michalke